Rede von Doris Schröder-Köpf während der Plenarsitzung vom 18.09.2015 im Niedersächsischen Landtag

Die Madsack-Mediengruppe beabsichtigt, bis Ende nächsten Jahres ihre Druckerei in Hannover-Kirchrode zu schließen. Bis zu 170 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlieren dann ihre Arbeit und sind von Erwerbslosigkeit bedroht. Sie nehmen das jedoch nicht hin, sondern kämpfen und verhandeln, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten.

Ihr Engagement hat sie heute hier zu uns in den Landtag geführt. Auch ich möchte die Kolleginnen und Kollegen sowie den Betriebsratsvorsitzenden Rainer Butenschön von dieser Stelle aus begrüßen: Herzlich willkommen im Landtag!

Ich möchte auch Bernd Rödel begrüßen, den Bürgermeister des Stadtbezirks Kirchrode- Bemerode-Wülferode. Der Madsack-Verlag gehört zu den markantesten und bedeutendsten Unternehmen des Stadtbezirks und auch die politischen Gremien dort vor Ort sind ob der möglichen Auswirkungen der Entlassungswelle auf den Stadtbezirk zu Recht besorgt.

Eine Betriebsschließung dieser Größenordnung ist eben nicht einfach eine unternehmensinterne Entscheidung, die uns Politikerinnen und Politiker nichts angeht. Sie hat gesellschaftliche Auswirkungen und auch deshalb ist das Landtagsplenum der richtige Ort für diese Debatte!

Was die Einschätzung der Entwicklung im Medienbereich angeht, sind wir natürlich nicht blauäugig. Allein ein Blick auf die Tische der Landtagskolleginnen und -kollegen zeigt: Gedruckte Zeitungen sind bei uns nur noch vereinzelt zu sehen! Ich habe noch gut in Erinnerung, wie sich Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer früher darüber aufregten, wenn sie bei Debatten von Landtagen oder Bundestag Zeitungen lesende Abgeordnete beobachteten. Das kann so heute faktisch nicht mehr passieren: Die Blicke der Parlamentarier richten sich auf Smartphones, I-Pads oder Laptops. Die Kolleginnen und Kollegen lesen Online-Ausgaben oder e-Papers ihrer Regionalzeitungen und sind via Facebook über aktuelle Ereignisse in ihren Wahlkreisen oft früher informiert als aus den altbekannten Medien.

Der Rückgang an klassischen Abonnenten, die veränderte Mediennutzung, der Verlust an Werbeeinnahmen, der vor allem die Tageszeitungen ökonomisch hart trifft – diese Faktoren sind unbestritten und zwingen Geschäftsführungen zu Kurswechseln, ja, auch zum Personalabbau.

Als langjährige Journalistin bedauere ich, dass mir heute die Redezeit für weitergehende Ausführungen zur Entwicklung in einer Branche fehlt, die eine konstitutive Bedeutung für unsere Demokratie hat.

Nur so viel: Die zehn führenden deutschen Verlagsgruppen konzentrierten zuletzt unter ihrem Dach 59,3 Prozent der in Deutschland verkauften Zeitungsauflage. Der Marktanteil der fünf größten Verlagsgruppen – Madsack nimmt Platz 4 ein – betrug rund 43 Prozent. Und obwohl klassischer Journalismus in vielen Verlagen nur noch ein Nischen-„Produkt“ neben Anzeigenblättern, Internetportalen, Postdiensten oder Ticketverkäufen ist, profitieren die Betriebe immer noch vom Privileg des Tendenzschutzes. Das bedeutet: Die Rechte der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte sind stark eingeschränkt.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
aber: Solche Privilegien bringen auch Verpflichtungen mit sich! Die Madsack- Mediengruppe erwirtschaftete nach eigenen Angaben zuletzt einen jährlichen Gesamtumsatz von rund 670 Millionen Euro und beschäftigt mehr als 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie ist ein treibender Motor des Medienstandortes Hannover, des Medienstandortes Niedersachsen.

Ist es wirklich zu viel verlangt von einer solchen Mediengroßmacht, zu deren Kernkompetenz Kommunikation gehören sollte, nachvollziehbare Erklärungen zu erwarten?
Warum geht die Verlagsgeschäftsführung nicht auf die sehr vernünftigen Vorschläge von Betriebsrat und ver.di ein?

So könnten durch eine zeitliche Verlängerung der Produktion in Kirchrode im Rahmen des geltenden Tarifvertrages Altersteilzeitregelungen geschaffen werden, um 80 bis 100 Beschäftigte sozialverträglich in Rente zu führen. Oder die bei der Oppermann-Druckerei entstehenden neuen Arbeitsplätze könnten bevorzugt mit Madsack-Beschäftigten besetzt werden.

Und das sind nur zwei von zahlreichen konstruktiven Vorschlägen, deren großes Ziel es ist, Arbeitslosigkeit der Druckereibeschäftigten zu verhindern.

Sehr geehrte Damen und Herren aus Verlagsgeschäftsführung und sehr geehrte Anteilseigner, die Sie jetzt vermutlich interessiert den Livestream verfolgen,
die Fraktion der SPD im Niedersächsischen Landtag steht solidarisch an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unterstützt deren Forderung nach Gesprächen, die getragen sind von Fürsorge für treue Beschäftigte und von sozialer Verantwortung. Wir fordern: Transparenz statt Tarifflucht, Gespräche statt Kommunikation nach Gutsherrenart!

Ich möchte Sie an ein Versprechen erinnern, das Sie auf der Madsack-Homepage geben. Darin heißt es, ich zitiere:

„Die Madsack Mediengruppe hält einen Schatz in ihren Händen: Glaubwürdigkeit.“ Und weiter: „Wir sind entschlossen, dieses Vertrauen niemals zu enttäuschen. Integrität und Redlichkeit dürfen im Alltag von Redaktionen und Verlag niemals aufgegeben werden um eines kurzfristigen Vorteils willen. Denn langfristig hängt das gesamte Schicksal der Madsack-Mediengruppe daran, dass wir gegenüber den Lesern die Glaubwürdigkeit erhalten.“

„Wir bleiben erfolgreich, weil wir uns verändern“, heißt es auf Ihrer Madsack-Webseite. Ich wünsche Ihnen im Namen meiner ganzen Fraktion den dauerhaften Erfolg im Markt und eine Veränderung Ihrer Strategie im Umgang mit den Beschäftigten, die Angst vor der Zukunft haben.

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult