Als dritter von vier Wegen, die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts angelegt worden sind, und die alle nach berühmten Demokratinnen benannt worden sind, führt der Käthe-Kollwitz-Weg vom Altenbekener Damm zum Ricarda-Huch-Weg. Benannt ist er, der Bedeutung der Namensgeberin völlig unangemessen, seit 1954 nach der Künstlerin Käthe Kollwitz.

Käthe Kollwitz

Käthe Kollwitz: Selbstbildnis 1924
Käthe Kollwitz: Selbstbildnis 1924

Ihre wohl bekannteste Zeichnung ist vielleicht nicht ihre beste, aber sie symbolisiert eindrucksvoll und alle politischen Zeitläufte überdauernd ihre künstlerisch-politische Haltung: Für den mitteldeutschen Jugendtag der Sozialistischen Arbeiterbewegung in Leipzig gestaltet Käthe Kollwitz ein Plakat, auf dem eine Frau abgebildet ist, die, die rechte Hand zum Schwur gehoben, „Nie wieder Krieg“ aus sich herausschreit. Diese Frau könnte Käthe Kollwitz selbst sein, denn im Oktober 1914 muss sie die schreckliche Erfahrung machen, dass ihr gerade 18 Jahre alter Sohn Peter auf einem Kriegsacker in Belgien „gefallen“ ist. Dieses Ereignis prägt ihr weiteres politisches und persönliches Leben. In ihrem Tagebuch notiert Käthe Kollwitz. „Wenn ich mich mitarbeiten weiß in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, hab‘ ich ein warmes, durchströmendes und befriedigendes Gefühl“. Am Ende dieses Tagebucheintrags schreibt sie: „Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“.

Geboren wird Käthe Schmidt am 8. Juli 1867 in Königsberg. Sie wächst in einem fortschrittlich gesinnten Elternhaus auf. Ihr Vater Karl hatte Jura studiert, fand aber wegen seiner liberalen Auffassungen keine Anstellung beim preußischen Staat und arbeitete als Maurermeister. Ihre Mutter Katharina stammte aus einer revolutionären Familie. Deren Vater Julius Rupp, Käthes Großvater war 1848er Revolutionär und gemeinsam mit dem Frühsozialisten Johann Jacoby aktiv in der Fortschrittspartei.

Bereits mit 13 Jahren fertigt Käthe Schmidt ihre ersten Kupferstiche an. Die Eltern fördern ihre künstlerischen Ambitionen nach Kräften. Da Frauen in jenen Jahren nicht zum Studium an Kunstakademien zugelassen sind, erhält Käthe Privatunterricht. 1885 geht sie nach Berlin und studiert an der sogenannten „Damenakademie“ des „Vereins der Berliner Künstlerinnen. Dort entwickelt sie ihr Interesse für das graphische Arbeiten. 1886 darf Käthe Schmidt dann an Kunstakademie Königsberg studieren. Ihr Studium schließt sie 1889 in München ab.

1891 heiratet Käthe Schmidt den sozialdemokratischen Kassenarzt Karl Kollwitz, mit dem sie bereits seit 1884 verlobt ist. Käthe und Karl Kollwitz ziehen in den Berliner Arbeiterbezirk Prenzlauer Berg. Das Elend der Patienten ihres Mannes macht ihr deutlich, was es heißt, aus dem Proletariat zu stammen. Käthe Kollwitz empfindet die „Verpflichtung ihm mit meiner Kunst zu dienen“. Beeindruckt von Gerhart Hauptmanns Drama „Die Weber“ fertigt sie den Radier-Zyklus „Ein Weberaufstand“ an, mit dem sie auf der „großen Berliner Kunstausstellung“ 1898 großen Erfolg hat. Der Maler Adolph Menzel, einer der ersten, die auch arbeitende Menschen im Bild verewigen, schlägt vor, die junge Künstlerin mit einer Goldmedaille auszuzeichnen. Kaiser Wilhelm II. jedoch weigert sich, „Rinnsteinkunst“ auszuzeichnen und überhaupt ist er der Meinung, Orden und Ehrenzeichen gehörten „an die Brust verdienter Männer“. Die durften dann später, wie Käthe Kollwitz Sohn Peter für ihn fallen.

1898 wird Käthe Kollwitz in die „Berliner Sezession“ aufgenommen und beginnt als Lehrerin an der Künstlerinnenschule. Für ihren Bauernskriegs-Zyklus erhält sie 1906 als erste Frau den „Villa -Romana-Preis“. Der Zyklus verschafft ihr internationalen Ruhm. Sie stellt in London, Paris, Wien und Moskau aus.

Der Tod ihres Sohnes Peter macht aus der bis dahin eher gefühlsmäßigen Sozialistin eine Kämpferin für Frieden und soziale Gerechtigkeit, die ihre Kunst und ihren Namen gezielt einsetzt. So nutzt sie im Oktober 1918, als der damals sehr berühmte Dichter Richard Dehmel öffentlich „ein letztes Aufgebot der Alten und Jungen“ fordert, den Berliner „Vorwärts“ zu einem Aufschrei: „Es ist genug gestorben! Keiner darf mehr fallen“. Sie beruft sich dabei auf Goethes Werther mit dem Zitat: „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“.

Nach der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, zu dessen Totenfeier sie eine Zeichnung beisteuert, nähert sich Käthe Kollwitz der radikalen Linken an, ohne jedoch Mitglied der KPD zu werden. Dennoch fertigt sie in den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts etliche Arbeiten für die Partei an, deren bekannteste das Plakat für die Kampagne „Nieder mit dem Abtreibungsparagraphen!“ ist. Es zeigt eine ausgemergelte, hochschwangere Frau mit einem Kleinkind an der Hand. Käthe Kollwitz ist mittlerweile Professorin und Mitglied der Preußischen Akademie der Künste.

Der Krieg und seine Folgen lässt Käthe Kollwitz auch in der Weimarer Republik nicht los. Beeinflusst von den Arbeiten Ernst Barlachs, der für sie auch auf dem Gebiet der Plastik zum Ideengeber wird, erarbeitet sie 1922 und 1923 die Holzschnittfolge „Krieg“. 1928 wird ihr die Leitung des Meisterateliers für Graphik an der Akademie der Künste überragen. Im Jahr darauf erhält sie, als erste Frau überhaupt, den Orden „Pour la Mèrite“.

Erst 1932 kann Käthe Kollwitz der Trauer über ihren Sohn Peter öffentlich Ausdruck geben. Auf dem Kriegsgräberfeld im belgischen Roggefelde-Essen, nahe der flandrischen Stadt Dixmuiden wird ihr Mahnmal „Die Eltern“ aufgestellt. Käthe Kollwitz hatte es bereits 1914 als ganz persönliches Grabmal geplant. Als der Faschismus europaweit bereits bedrohlich angeschwollen ist, wird Kollwitz‘ Mahnmal zur unübersehbaren Anklage gegen den Krieg.

Noch Anfang 1933 beteiligt sich Käthe Kollwitz an Aufrufen gegen den Faschismus. Dafür wird sie gemeinsam mit Heinrich Mann von den Nazis gezwungen, „freiwillig“ aus der Preußischen Akademie der Künste auszutreten. 1936 werden ihre Arbeiten aus der Berliner Akademieausstellung entfernt. Danach brauchen die Nazis kein Ausstellungsverbot mehr gegen Käthe Kollwitz auszusprechen, sie hat es de facto und steht außerdem mit ihrem Mann unter ständiger Observation durch die Gestapo. Vielleicht in Vorahnung dessen, was noch kommen soll, entsteht 1934 und 1935 ihr letzter großer Zyklus „Vom Tode“.

Am 22. September wiederholt sich Geschichte doch. Ihr Enkel, der nicht zufällig Peter heißt, fällt in der Sowjetunion. Noch einmal greift Käthe Kollwitz auf Goethes Werther zurück und schafft die Lithographie „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“. Anfang 1943 zieht Käthe Kollwitz zu einer befreundeten Bildhauerin nach Nordhausen. Am 25. November desselben Jahres wird ihre Berliner Wohnung bei einem Bombenangriff zerstört. Viele Drucke, Platten und Grafiken verbrennen. Ein unschätzbarer Verlust. Auf Einladung von Ernst Heinrich Prinz von Sachsen zieht Käthe Kollwitz im Juli 1944 in den Rüdenhof des Städtchens Moritzburg. Dort stirbt sie wenige Tage vor der Befreiung vom Faschismus am 22. April 1945. Im September 1945 wird Käthe Kollwitz neben ihrem Mann Karl auf dem Friedhof Friedrichsfelde in Berlin bestattet.


Käthe Kollwitz: Selbstbildnis 1924
Mit freundlicher Genehmigung der „Stiftung Käthe Kollwitz Haus Moritzburg“


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