Am 10. Juli 2007 wurde der Bereich der Alten Döhrener Straße zwischen An der Engesohde und Hildesheimer Straße umbenannt in Orli-Wald-Allee

Hier können Sie die Ansprache von Bezirksbürgermeister Lothar Pollähne nachlesen.
(Es gilt das gesprochene Wort)

Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren
Kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber
Die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese
Sind unentbehrlich.

Diese Sätze von Bertolt Brecht, geschrieben während der Flucht vor den Nazis, sind im doppelten Sinne bedeutsam. Wir ehren heute Orli Wald, die Kämpferin gegen die Nazi-Barbarei, indem wir eine Straße nach ihr benennen. Nicht irgendeine, sondern die Straße, die an ihrer letzten Ruhestätte vorbeiführt. Der Engesohder Friedhof liegt künftig an der Orli Wald-Allee. Mit dieser Namensgebung ist ein Prozess zum Abschluss gekommen, in dessen Verlauf viele vor Ärger, Wut und Enttäuschung fast verzagt wären. Bürokratische Hürden, Missverständnisse und viele nachhaltige Lügen haben über Jahre dafür gesorgt, dass die Erinnerung an Orli Wald mit dem Namen ihres ersten Ehemannes verknüpft war, jenes Mannes, der mit ziemlicher Sicherheit mitverantwortlich war für ihr Martyrium in Zuchthäusern und Konzentrationslagern.

Ich mag mir nicht vorstellen, dass die Straßenbenennung in Wettbergen in den achtziger Jahren eine bewusste Fehlentscheidung war. Vielleicht war die Informationslage damals nicht ausreichend. Aber dass sich trotz gegenteiliger Kenntnisse über viele Jahre die gültige Lüge Reicherthof verfestigen konnte, ist kein Ruhmesblatt. Viele Hindernisse waren zu überwinden, um heute die Orli Wald-Allee benennen zu können. Dazu hat vor allem einer beigetragen, auf den der Brechtsche Satz vom Kämpfen ebenso zutrifft wie auf Orli Wald: Manfred Menzel hat mit jahrelanger Beharrlichkeit dafür gesorgt, das Bild von Orli Wald Stück für Stück den historischen Tatsachen anzupassen.

Er ist immer noch auf dem Weg, denn immer noch werden, zum Beispiel im Internet, Lügen verbreitet. Das ist schon schlimm genug, aber dass die Gedenkstätte Ravensbrück, wie meine Frau und ich vor einigen Wochen feststellen mussten, der Ort jenes Konzentrationslagers, in dem Orli Walds Leidensweg durch die deutschen Lager begann, in einem Gedenkbuch schreibt, sie sei in Auschwitz umgekommen, ist schon irritierend und zeugt von einem gewissen Maß an historischer Nachlässigkeit, wenn man weiß, dass Manfred Menzel schon vor Jahren auf diesen Lapsus hingewiesen hat.

Ohne die positive Sturheit Manfred Menzel stünden wir vermutlich heute nicht hier: Er hat dafür gesorgt, dass der Rat der Landeshauptstadt und der Bezirksrat Südstadt-Bult dieser Namensnennung am angemessenen Ort zugestimmt haben. Orli Wald hat nun nicht nur ihre letzte Ruhestätte, sondern auch eine eigene Adresse.

Manfred Menzel ist beileibe nicht der einzige, der mit Mut, Klugheit und List dafür gesorgt hat, dass das Gedenken an Orli Wald nicht ausgedünnt wurde. Peter Wald, Dr. Bernd Steger und Prof. Dr. Günter Thiele, die ich hier ganz besonders begrüßen möchte, haben mit dem Buch Der dunkle Schatten die Erinnerung an die Lebens- und Leidensgeschichte Orli Walds übermittel und am Leben gehalten. Ich freue mich, Ihnen heute mitteilen zu können, dass eine stark erweiterte Neuauflage diese Buches in Arbeit ist. Sie soll Ende des Jahres erscheinen.

Bis es soweit ist, verweise ich auf das wirklich vorzügliche Faltblatt, das das Stadtarchiv gestalterisch anspruchsvoll erarbeitet hat, und das Ihnen heute vorgelegt wird. Dafür gebührt Herrn Dr. Karljosef Kreter und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unser Dank, denn sie haben unter erheblichem Stress hervorragende Arbeit geleistet. Die Friedhofsleitung hat mir übrigens zugesichert, das Orli Wald-Faltblatt hier auf dem Engesohder Friedhof auszulegen. Sie überlegt überdies, wie das Gedenken an ehemalige Widerstandskämpfer hier in Zukunft adäquat dargestellt werden kann.

Viele Menschen in Hannover haben in den vergangenen Jahrzehnten, so gut es ihre Kräfte vermochten, die Erinnerung an Orli Wald wachgehalten. So haben Elke Oberheide, Regina Hennig, Brunhild Müller-Reiß, Petra Sprung und Dr. Andrea Tech im Rahmen von Projekten der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zu einer Zeit über Orli Wald geforscht und geschrieben, als das nur gegen die Mächte des Vergessen-Wollens möglich war. Gleiches gilt für Egon Kuhn und die Arbeitsgemeinschaft gegen das Vergessen der Otto Brenner-Stiftung, die mit Seminaren und Kranzniederlegungen am Grabe das Andenken an Orli Wald wachgehalten haben.

Dass wir heute hier die Allee vor dem Engesohder Friedhof nach Orli Wald benennen, freut mich als Bürgermeister des Stadtbezirks Südstadt-Bult ganz besonders. Zum einen, weil Orli und Edu Wald jahrelang in der Südstadt gelebt haben, wenige hundert Meter von hier entfernt Im Graswege. Zum andern sind die maßgeblichen Initiativen für die Namensgebung aus der Südstadt gekommen. Den Südstädter Manfred Menzel hatte ich schon genannt. Nicht unerwähnt bleiben sollte der SPD-Ortsverein Südstadt-Bult, der politisch unnachgiebig geblieben ist und für den die Ehrung seiner ehemaligen Genossin Orli Wald eine Anerkennung seiner Beharrlichkeit ist. Dies möchte ich mit dem Dank an alle im Bezirksrat Südstadt-Bult vertretenen Parteien verbinden. Ohne deren gemeinsamen politischen Druck wären wir vielleicht heute hier noch nicht zusammengekommen.

Ich habe von vielen starken Menschen gesprochen, die sich um das Andenken an Orli Wald verdient gemacht haben. Sollte ich jemanden vergessen haben, so entschuldige ich mich in aller Form.

Wie sagte doch Bertolt Brecht? Die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Orli Wald war eine von ihnen. Ihr Leben währte kurze 48 Jahre lang. Zum Schluss verfügte sie nicht mehr über jene Kampfkraft, die sie vielen anderen unter unmenschlichen Umständen zur Verfügung gestellt hatte.

Ich verneige mich vor einer großartigen Frau und hoffe, dass die Orli Wald-Allee einen Teil dazu beiträgt, den Kampf und das Leiden Orli Walds unvergessen zu machen.

Den Flyer mit vielen weitergehenden Informationen können Sie hier als .pdf-Dokument herunterladen:

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult