Mit großer Freude bin ich heute Gast bei der Eröffnung dieser Bibliothek in der Südstadt und mit Respekt, denn als vor ziemlich genau einem Monat die alte Südstadtbibliothek in der Krausenstraße endgültig ihre Türen schloß, habe ich mir kaum vorstellen können, daß der Umzug einer solch umfangreichen Ladung Kultur in so kurzer Zeit von Statten gehen könnte.

Meine Blicke in die Räume, die wir heute gemeinsam einweihen, sahen bis vor 14 Tagen nichts, das so aussah, als könnte hier alsbald die neue Heimat für die zwei Dutzend Zeichen sein, die die Grundlage für das hier angesammelte Wissen sind.

Bibliotheken sind, wie es Günther Weisenborn in seinem Buch „Der lautlose Aufstand“ zur Würdigung der Frauen und Männer des Widerstands gegen die Nazibarbarei schrieb, die „kostbarsten Monumente der Menschheit“, gebaut eben aus nichts als jenen zwei Dutzend Zeichen. Liebe Frau Rybarsch, Sie und Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger haben diese Monumente in den demokratischen Jahren Deutschlands gepflegt und herausgeputzt: die längste Zeit davon in der Krausenstraße. Nun, nachdem sie vor fast 50 Jahren aus den Räumen der heutigen Bertha von Suttner-Schule dorthin umgezogen waren, haben sie einen vergleichsweise kleinen Umzug hinter sich: einmal um die Ecke, in diese hellen Räume in der Schlägerstraße.

Der kleine Umzug hat große Folgen, denen sie sich mit all ihrer Kompetenz als Wahrerin der Worte stellen werden. Die ehemalige Südstadt-Bibliothek ist hinfort die Kinder- und Jugendbibliothek Südstadt. Manchen Menschen, mit Sicherheit auch einigen, die heute hier zu Gast sind, gefällt diese Neuausrichtung nicht. Sie hätten lieber weiterhin eine „richtige“ Bibliothek an diesem Standort gehabt. Ich kann diese Auffassung nur bedingt teilen. Die alte Südstadt-Bibliothek war zwar ein niedrigschwelliges Angebot, aber mit knapp 40000 Medien-Einheiten ein relativ kleines. Vielfach mußten Medien-Einheiten, um bei diesem Begriff zu bleiben, aus den Magazinen der Stadtbibliothek beschafft werden. Die liegt nun, zum Glück der Südstädterinnen und Südstädter auch in der Südstadt, aber der Standort der Stadtbibliothek war für die Menschen im Stadtbezirk auch ein Hindernis.

Als es vor Jahren im Rahmen der kommunalen Sparmaßnahmen um die Schließung des Standortes Südstadtbibliothek ging, war es für die Bezirksratsfrauen und -herren schwierig, gegen den Standortvorteil der großen Stadtbibliothek anzukämpfen. Initiativen innerhalb und außerhalb des Stadtbezirksrates haben es über alle politischen Grenzen hinweg erreicht, daß an diesem Standort zumindest eine Bibliothek für Kinder und Jugendliche vorgehalten wird. Damit trägt die Landeshauptstadt Hannover der Wißbegier und dem Lesehunger junger Menschen in unseren Stadtbezirk Rechnung. Ich unterstelle mal, daß sich die Stadtverwaltung bei dieser klugen Entscheidung von Josef von Eichendorff hat leiten lassen, der lautet: „Die Jugend ist die Poesie des Lebens“.

Diese Poesie gilt es zu fördern. Dazu gibt es jede Menge Chancen, vorausgesetzt man folgt den Einsichten einiger wortgewaltiger Bezugspersonen: In ihrer Schrift „Warten auf ein Wunder“ hat Maxi Wander die Perspektive vorgegeben: „Man erlebt in der Kindheit alles wie in einem Rausch. Und die Erwachsenen stören fortwährend“. Das trifft auf eine gute Bibliothek und deren Buchwalter nicht zu. Die folgen nämlich Hermann Hesses Erkenntnissen über den Umgang mit Büchern und wissen: „die Kunst des Lesens ist einer klugen, freundlichen Pflege so würdig und so bedürftig wie jeder andere Zweig der Lebenskunst“.

Sie beherzigen nämlich, und auch das ist ein Gedanke Hermann Hesses, daß Bücher nur dann einen Wert haben, „wenn sie zum Leben führen und dem Leben dienen und nutzen“. Und sie wissen auch aus den Betrachtungen des Freiherrn von Knigge „Über den Umgang mit Menschen“: „Bei der Menge unnützer Schriften tut man übrigens wohl, ebenso vorsichtig im Umgange mit Büchern wie mit Menschen zu sein.“

Zur Eröffnung der Kinder- und Jugendbibliothek Südstadt wünsche ich mir und uns mit Thomas Manns „Mario und der Zauberer“ eine kleine Welt der Vielfalt und grenzenlosen Phantasie: „Kinder bilden ja eine Menschenspezies und Gesellschaft für sich, sozusagen eine eigene Nation: leicht und notwendig finden sie sich, auch wenn ihr kleiner Wortschatz verschiedenen Sprachen angehört, auf Grund gemeinsamer Lebensform in der Welt zusammen.“

Schließen möchte ich mit dem großen chilenischen Dichter, Politiker und Genießer Pablo Neruda, der sich weder ein Leben ohne Bücher noch Bücher ohne Leben vorstellen konnte. „Ich bekenne ich habe gelebt“, hat Neruda seine Lebenserinnerungen betitelt. Seine Weisheit, die auch dieser Bibliothek voranstehen möge, hat er in der Ode an das Buch verdichtet: „Buch, so ich dich schließe, schlag ich das Leben auf.“

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult