Die Stadt Hannover informiert seit dem 14. April 2011 mit einer Stadttafel über Hermann Scheuernstuhls Fackelträger am Nordufer des Maschsees

Von Lothar Pollähne

Nach langen und intensiven, öffentlich ausgetragenen Diskussionen ist am 14. April die Stadttafel an der Stele des „Fackelträger“ am Nordufer des Maschsee enthüllt worden.

Auf Anregung von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Stadtbezirk hat sich die SPD Südstadt-Bult von Beginn an für eine historisch-kritische Bewertung des Skulpturenensembles am Maschsee eingesetzt, dessen erkennbar hervorgehobenes Einzelwerk der „Fackelträger“ von Hermann Scheuernstuhl ist. 1937 wurde die Skulptur auf dem bereits ein Jahr zuvor errichteten Pfeiler aufgestellt.

Auf dieses Ereignis weist nun die Stadttafel mit folgendem Text hin: „1937 stellte die Stadt die 4,5 m große Statue „Fackelträger“ von Hermann Scheuernstuhl (1894 - 1982) auf den bereits zur Einweihung des Maschsees 1936 errichteten 18 m hohen Pfeiler. NS-Kunst heroisierte „Gesundheit“ und „Kraft“. Die auf einer Kugel postierte nackte Figur nimmt Bezug auf den Hitlergruß und das olympische Feuer, das 1936 erstmals von Olympia zu den Spielen getragen wurde. Die „Siegessäule“ vereinnahmte den Bau des Sees und verherrlichte den NS-Staat mit der Inschrift am Sockel. 1945 wurde das Hakenkreuz herausgeschlagen.“

Nun, da der Findungsprozess zum erkennbaren Abschluss gekommen schien, melden sich Kritiker zu Wort, die in den vergangenen zwei Jahren die Diskussion offenbar nicht bemerkt hatten. „Wie braun ist der Fackelläufer?“, fragte die HAZ im „Thema des Tages“ am 18. April. „Das ist doch kein Hitlergruß“, moniert ein Historiker und fügt hinzu: „Es ist offenkundig, dass Scheuernstuhl sich zu den olympischen Spielen in Berlin an griechischen Vorbildern orientierte.“ Zum Beleg wird die Skulptur des 2300 Jahre alten „Antikythera-Jünglings“ aus dem Nationalmuseum Athen angeführt, der Scheuernstuhl Werk bestechend ähnlich sieht, nur was soll damit belegt werden?

In seiner Parteitagsrede hatte Adolf Hitler am 1. September 1933 in Nürnberg die Bedeutung der Antike für die nordische Kunst herausgestellt: „Es ist kein Wunder, daß jedes politisch heroische Zeitalter in seiner Kunst sofort die Brücke sucht zu seiner nicht minder heroischen Vergangenheit. Griechen und Römer werden dann plötzlich den Germanen so nahe, weil alle ihre Wurzeln in einer Grundrasse zu suchen haben.“ In diesem Verständnis ist Scheuernstuhls Fackelträger das „nordische Äquivalent eines griechischen Ideals“, wie es Peter Adam in seinem Buch „Kunst im Dritten Reich“ auf einen Nenner bringt.

Der Kunstschriftleiter des Völkischen Beobachter, Robert Scholz, beschreibt „eine Zeit der Bejahung des Körperlichen, eine Sportkultur mit hellenischer Haltung.“ Damit weiß er sich eins mit Adolf Hitler, der im Juli 1937 zur Eröffnung der ersten „Großen Deutschen Kunstausstellung“ erklärt hatte: „Ein leuchtend schöner Menschentyp wächst heran, den wir erst im vergangenen Jahr in den Olympischen Spielen in seiner strahlenden, stolzen, körperlichen Kraft vor der ganzen Welt in Erscheinung treten sahen, dieser Menschentyp ist der Typ der neuen Zeit.“

Fackelträger wird es in vielen Epochen gegeben haben, aber erst die Nazis haben sie zu Kultfiguren erhöht. Der Eingang zur „Neuen Reichskanzlei“ war mit zwei Fackelträgern von Hitlers Lieblings-Bildhauer Arno Breker dekoriert. Dass ausgerechnet der Nazi Hermann Scheuernstuhl diese Figur griechisch wertfrei verwandt haben soll, mutet grotesk an. Wenn er überzeugter Nazi war, hat er systemkonform gearbeitet, wenn er als Opportunist versucht hat, eine künstlerische Nische zu besetzen, dann ist er grandios gescheitert, denn sein Fackelträger reiht sich passgenau in die Kette nordischer Skulpturen ein, die die Nazis zur Symbolisierung ihres Menschenbildes reichsweit aufstellen ließen als Äquivalente ihres verquasten griechischen Ideals.

Es ist gut und vorwärtsweisend, dass die Stadt Hannover diese Zusammenhänge auf der Stadttafel an der Stele des Fackelträger präsentiert. So sieht besonnener Umgang mit der Geschichte aus. Mit Bilderstürmerei hat das nichts zu tun.

v.l.n.r.: Lothar Pollähne, Ewald Nagel, Thomas Hermann, Ludwig Diener und davor Claus-Arne Mohr
von links nach rechts: Lothar Pollähne, Ewald Nagel, Thomas Hermann, Ludwig Diener und davor Claus-Arne Mohr
36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult