In den ersten Monaten dieses Jahres haben wir – wie in jedem Jahr - an vielen Orten in Europa der Befreiung der Konzentrationslager vor 70 Jahren gedacht: in Auschwitz-Birkenau, in Bergen-Belsen, auch in Hannover. Wir haben den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus gewürdigt und der Opfer des Krieges und des Völkermords gedacht.

Aber als in Europa 12 Jahre Terrorherrschaft vorbei waren und die Waffen nach sechs Jahren endlich schwiegen, war der Zweite Weltkrieg noch nicht beendet.

Bis Anfang August 1945 hatten die Amerikaner schwere Luftangriffe auf 66 japanische Städte geflogen. 400.000 Tote waren die Folge. Allein beim ersten Angriff auf Tokyo starben 100.000 Menschen.

Es ist ein schöner Morgen in Hiroshima, die Sonne scheint, es ist warm, die Menschen sind auf dem Weg zur Arbeit. Bisher ist die Stadt vom Bombardement verschont geblieben.

Es ist 8:14 Uhr. 10.000 Meter über der Stadt klinkt ein B-29-Bomber eine Bombe mit dem verniedlichenden Namen „Little Boy“ aus. Eine Atombombe.

Wenige Sekunden später wird sie zur verheerendsten Waffe in der Geschichte und für immer unsere Welt verändern.

Der 6. August 1945 um 8:15 Uhr ist der Beginn einer neuen Zeitrechnung.

Eine ganze Stadt wird ausgelöscht, 80.000 Menschen sterben sofort, noch einmal so viel in den nächsten Wochen und Monaten oder an den Spätfolgen.

Aber die Explosion ist erst der Anfang dieser Katastrophe.

Unvorstellbar sind Horror und Leid für die Überlebenden.

Die Atombombe ist einmalig in ihrer Grausamkeit und Zerstörungskraft. Sie trifft unterschiedslos jeden, denn ihre Strahlung richtet langfristig Schaden an.

Krebs, Geburtsschäden und Totgeburten sind in den Jahren nach den grausamen Angriffen der USA auf die Zivilbevölkerung Japans die Folgen. Und wer nicht durch Hitze, Druckwelle, einsetzenden schwarzen Regen oder akute Strahlenkrankheit getötet wurde, hatte bis zum Ende seines Lebens an den physischen und psychischen Folgen zu leiden.

Und auch die nachfolgenden Generationen waren von den Auswirkungen des Atombombenabwurfs betroffen. Selbst heute leiden noch Viele an den Folgen der Katastrophe.

Vielleicht haben einige von Ihnen vorgestern Abend auf ARTE die englische Dokumentation „Count-Down in ein neues Zeitalter“ gesehen.

In dem Dokumentarfilm berichten Augenzeugen über das Chaos in der Zeit danach:

  • über die soziale Ausgrenzung der Überlebenden, die außerhalb Hiroshimas wie Aussätzige behandelt wurden,
  • über plündernde Mafia-Banden,
  • über verhungernde Waisenkinder,
  • über junge Mädchen, die an Prostitutionsnetzwerke verkauft wurden,
  • und wie die letzten Stadtbewohner mit Gewalt ums Überleben kämpften

Zur historischen Wahrheit gehören auch

  • diplomatische Fehleinschätzungen der beteiligten Kriegsmächte,
  • der unbedingte Wille des US-Militärs, die Bombe einzusetzen,
  • eine Petition von mehr als 70 Wissenschaftlern an den amerikanischen Präsidenten, die Atombombe nicht einzusetzen, die den Präsidenten jedoch nie erreichte, weil das US-Militär sie abfing,
  • der Versuch des US-Militärs, die grausamen Folgen der Explosion zu vertuschen und herunterzuspielen
  • und im Nachhinein den Atombombeneinsatz zu legitimieren.
  • Selbst das japanische Militär negierte die Bombenabwürfe, die Medien durften darüber nicht berichten und ließen so die Zivilbevölkerung im Unklaren.

Der Tag des 1. Abwurfes der Atombombe am 6.8.1945 auf Hiroshima jährt sich in diesem Jahr zum 70sten Mal.

Seit über 30 Jahren gedenken wir in Hannover am 6. August der Opfer der Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki. Wir erneuern dabei in jedem Jahr unseren Appell nach einer Welt ohne Atomwaffen.

Als Partnerstadt Hiroshimas ist dies für uns eine besondere Verpflichtung.

Wir dürfen niemals vergessen, was zu diesen Katastrophen in Hiroshima und Nagasaki geführt hat. Dann besteht auch nicht die Gefahr, dass sich wiederholt, was damals in den beiden japanischen Städten geschah.

Deshalb ist der 6. August, der „Hiroshima-Tag“ auch 70 Jahre danach für uns ein Tag des Gedenkens und der Mahnung.

Oberbürgermeister Stefan Schostok ist heute in Hiroshima, um die Landeshauptstadt Hannover bei dem zentralen Gedenken zu vertreten.

Der Appell zur Abschaffung der Atomwaffen an diesem Tag und diesem Ort erhält eine besondere Bedeutung.

Denn noch immer bedrohen die Menschheit mehr als 30.000 Atomwaffen. Atomwaffen mit einer vielfach größeren Zerstörungskraft als damals.

Genug um die Welt mehrfach zu zerstören.

Uns alle hier verbindet der Glaube und das Wissen darum, dass es wichtig war, ist und bleibt, Geschichte wach zu halten, aufzurütteln, und den nachfolgenden Generationen zu vermitteln, was nicht sein darf.

Die vollständige atomare Abrüstung bis 2020 ist auch das erklärte Ziel des weltweiten Netzwerkes Mayors for Peace, das 1982 von Hiroshima gegründet wurde und dem Hannover als Partnerstadt von Anfang an angehört.

Im Rahmen der weltweiten Bewegung Mayors for Peace zeigen wir als Kommune vor allem „Flagge“ für weltweite Abrüstung. Jedes Jahr organisieren wir am 8. Juli einen bundesweiten Flaggentag.

Der Flaggentag erinnert an das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996 – zustande gekommen im Auftrag der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Danach verstößt der Einsatz von Atomwaffen – bereits die Androhung des Einsatzes – gegen grundsätzliche Prinzipien des humanitären Völkerrechts.

Heute treten weltweit rund 6.600 Bürgermeister/innen aus Städten in 160 Ländern, darunter mehr als 400 in Deutschland, für dieses Ziel ein.

Wir tun dies im Wissen, dass es für eine Stadt und ihre Bewohner unmöglich ist, bei einem Atomwaffen-Angriff Schutzmaßnahmen zu treffen.

Seit 32 Jahren sind wir durch die Städtepartnerschaft mit Hiroshima verbunden, seit 47 Jahren gibt es den regelmäßigen und regen Jugendaustausch.

Persönliche Begegnungen, gegenseitige Besuche und regelmäßige Kontakte haben ein enges Netz freundschaftlicher Verbindungen zwischen beiden Städten entstehen lassen.

Hannover und Hiroshima verbindet die gemeinsame Überzeugung, dass sie dadurch einen Beitrag zum Frieden leisten. Wir verstehen uns als Friedensstädte.

Im Gedenken an die grausamen Ereignisse vor 70 Jahren wollen wir gleich die Friedensglocke anschlagen, ein Geschenk unserer Partnerstadt Hiroshima.

Foto Thomas Hermann: Lothar Pollähne

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult