Am Ende des Zweiten Weltkriegs stand nach 12 Jahren Terrorherrschaft der Nazis der Wunsch nach einer besseren Welt, einer Welt der Bewahrung der Freiheitsrechte, der Menschenrechte.

Die Befreiung vom Faschismus bedeutete das Ende der diktatorischen Beschneidung der Menschen- und Freiheitsrechte, der Verfolgung von vermeintlich Andersdenkenden, Andersfühlenden, Andersgläubigen.

Doch die Befreiung bedeutete eins mit Sicherheit nicht: eine „Stunde Null“! Ein Aufatmen ja, ein Ankommen in einer neuen Welt sicher noch lange nicht.

Das nationalsozialistische Hass-, Verfolgungs- und Tötungssystem hatte die moralischen Grenzen der Menschen nicht nur überschritten, sondern in nicht nachvollziehbarer Weise verletzt und gesprengt. Das unfassbare Leid wurde in den Nürnberger Prozessen benannt als „Verbrechen gegen die Menschheit“.

Der Nationalsozialismus ließ viele offene Fragen nach Tätern, Unterstützern, Kollaborateuren zurück. Fragen, die 1945 viel zu selten offen gestellt und an deren Beantwortung seitens großer Teile der deutschen Bevölkerung kein großes Interesse bestand. Die personelle und oftmals ideologische Kontinuität bis in Parlamente und höchste Staatsämter hinein blieb viel zu lange und zu tiefgreifend erhalten.

Der Wunsch nach einer besseren, demokratischen Welt, einer Welt der Bewahrung der Freiheits- und der Menschenrechte ist dokumentiert in der „Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen vom Dezember 1948.

Ein halbes Jahr später – am 23. Mai 1949 - wurde das Grundgesetz, unsere Verfassung, verabschiedet. Auch dort stehen ganz bewusst und basierend auf den Erfahrungen dieser Terrorherrschaft die Menschenrechtsartikel am Anfang.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Artikel 1, 1)

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (Artikel 3)

Zwei Auszüge aus den Menschenrechtsartikeln, der Basis unseres Zusammenlebens.

Wunsch und Wirklichkeit fallen nur manchmal auseinander.

Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass diese Menschenrechte auch überall gelebt werden. Es ist unser aller Aufgabe, täglich für diese Demokratie einzutreten, sie zu stärken, und die Artikel des Grundgesetzes mit Leben zu füllen. Jede und jeder Einzelne von uns ist aufgefordert, täglich für diese Rechte zu kämpfen, täglich diese Rechte zu verteidigen.

Denn dieser Kampf ist noch nicht zu Ende.

Dieser „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“ liegt ein politischer Antrag der Mehrheitsfraktionen im hannöverschen Rat aus dem Frühjahr 2015 zugrunde. In der Begründung heißt es:

„Nicht erst seit den sogenannten Pegida- und HoGeSa-Demos in einigen deutschen Großstädten wird deutlich, dass die rechte Szene verstärkt versucht, in der Zivilgesellschaft Fuß zu fassen. Auch durch den Vertrieb von Kleidung, die eindeutig dem rechtsradikalen Spektrum zuzuordnen ist, bis hin zu Vorfällen an der Leibniz Universität Hannover ist zu erkennen, dass es sich um ein weit gefächertes Problem handelt. Um die Zivilgesellschaft gegen rechtes Gedankengut und Lifestyle zu immunisieren, ist eine öffentlichkeitswirksame Aktionswoche sinnvoll, weil sie die Möglichkeit bietet, die Menschen in ihrem Alltag abzuholen und aufzuklären.“

Allein die letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie aktuell diese Herausforderungen angesichts der weltweiten Kriege, Hungersnöte und Flüchtlingsbewegungen sind.

Rechtsextremes, rassistisches Gedankengut und Ausländerhetze sind durch alle Schichten hindurch anzutreffen. Am Stammtisch, auf der Straße, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, möglicherweise in der eigenen Familie.

Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt sehr deutlich, wie empfänglich auch die gesellschaftliche Mitte für rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen ist, wie fragil diese gesellschaftliche Mitte gerade in Krisenzeiten, gepaart mit Angst vor Überfremdung, Anti-Amerikanismus und anti-europäischen Einstellungen erscheint.

Vermutlich verfügen die meisten Wähler etwa der AfD über kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, wie wir es von strammen Neonazis kennen. Gleiches gilt vermutlich auch für die meisten Teilnehmer an den Pegida-Demonstrationen.

Aber sie rücken dem immer näher…

  • Sie machen rechtsextreme, menschenfeindliche Einstellungen hoffähig,
  • sie befördern sie,
  • sie stacheln an zu anonymen, herabwürdigenden Hasskommentaren über Flüchtlinge, Andersgläubige, Andersdenkende in sozialen Medien und Internetblogs.
  • Sie blockieren Flüchtlingsunterkünfte und versetzen Geflüchtete in Angst und Schrecken.
  • Sie übernehmen die Terminologie der damaligen Faschisten, um ihr autoritäres Weltbild zu präsentieren: der Kampfbegriff der „Lügenpresse“ ist so eine Adaption.
  • Sie betätigen sich als geistige Brandstifter und ermutigen Aktivisten zu Gewalttaten: Übergriffe auf Flüchtlinge, Brandanschläge.
  • Andere stehen johlend daneben und feuern die Straftäter noch an.
  • Sie versuchen, den Boden zu bereiten für eine andere, autoritäre und nationalistisch geprägte Gesellschaft. Was daraus wurde, wissen wir ja zu gut.

Und dann, spätestens dann ist die Frage berechtigt, wer hier eigentlich nicht integriert bzw. integrierbar ist.

Zur Situation hier in Hannover: Obwohl die Gruppierung „Besseres Hannover“ verboten wurde, sind ihre ehemaligen Mitglieder unter neuem Namen immer noch aktiv und fallen durch gewalttätige Übergriffe auf.

Alle zwei Wochen montags müssen wir außerdem zur Kenntnis nehmen, wie unter dem Label „Bürgerprotest Hannover“, ehemals „Pegida Hannover“, Rassisten ihren Hass auf die Straße tragen.

Seit einigen Monaten organisiert das Bündnis „Aktiv gegen Rassismus“ Gegendemonstrationen und -kundgebungen gegen die Reste von Pegida Hannover. Und dieser Protest scheint zu wirken. Seitdem wieder mehr Menschen gegen die sogenannten Abendspaziergänge auf die Straße gehen, sind die Teilnahmezahlen von Pegida bzw. Bürgerprotest Hannover deutlich rückläufig. Es lohnt sich also, gegen Rassismus und Neonazis aufzustehen.

Kommenden Montag hat Pegida erneut eine Kundgebung geplant. Ich hoffe, dass viele Menschen die „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“ zum Anlass, entsprechend Flagge zu zeigen.

Nur Menschen, die ein Ventil für ihre eigenen Ängste, Unsicherheiten, Frustration und Aggressionen brauchen, setzten anderen Menschen wegen ihres vermeintlichen „Andersseins“ herab, feinden sie an und verunglimpfen sie. Und trachten ihnen wie jüngst bei Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte auch nach dem Leben.

Und dann ist es unsere Pflicht dagegen Widerstand zu leisten und gemeinsam für ein vorurteilsfreies Klima einzustehen, aufzuklären.

Schützen können wir die Menschen, in dem wir ihnen Wissen in Form von Bildung und Werten vermitteln: in Kindergarten und Schule, am Ausbildungs- und Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft. Und mit Aktionen wie der „Woche gegen Rechts“.

Wer davon überzeugt ist, dass alle Menschen gleichwertig sind – das ist die Intention der Menschenrechtsartikel unserer Verfassung -, wird für rechtsextreme, für faschistische Einstellungen und Fremdenfeindlichkeit nicht so leicht empfänglich sein.

Aus der aktuellen Kriminalitätsstatistik können wir den starken Anstieg der politisch motivierten Straftaten insbesondere von rechts herauslesen (+ 35 Prozent). Und ebenso besorgniserregend ist auch der Anstieg rechter Gewalttaten, sie stiegen um 44 Prozent. Das alles sind traurige Rekordwerte seit Beginn der Statistik.

Ziel dieser „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“ ist es, die Zivilgesellschaft gegen rassistisches, rechtspopulistisches und extrem rechtes Gedankengut zu stärken.

Der Widerstand gegen Neonazis und gegen Rassismus funktioniert immer dann besonders gut, wenn sich ein breites Bündnis zusammenschließt. Das ist in eindrucksvoller Weise dem Bündnis „Bunt statt Braun“ in den vergangenen Jahren gelungen.

Und das ist ebenso bei dieser „Woche gegen Rechts - Für Demokratie“ eindrucksvoll gelungen!

Insgesamt 43 unterschiedliche Organisationen haben sich zum Widerstand gegen Rassismus und Rechtsextremismus zusammengeschlossen. Das ist beachtlich und darauf können wir alle sehr stolz sein.

Dieses Bündnis zeichnet sich jedoch nicht nur durch Quantität aus. Von Jugendverbänden bis zu Stiftungen, von Gewerkschaften bis zu kirchlichen Einrichtungen, von Migrantenselbstorganisationen bis zu Kultur- und Jugendzentren sowie der Stadt selbst ist ein großer Teil unserer Stadtgesellschaft in diesem Bündnis vertreten.

Das ist mir auch bei der Lektüre der einzelnen Ankündigungstexte aufgefallen: Das Veranstaltungsangebot ist so vielfältig wie das Bündnis selbst.

Ein Blick in den Flyer lohnt sich: Es gibt Ausstellungen, Filme, Vorträge und Workshops, Tanz, Theater, Poetry-Slam und Netzwerktreffen. Schauen Sie beim WahlFUN-Stand vorbei und informieren Sie sich über die Kommunalwahlen am 11. September. Auch heute und morgen finden hier auf diesem Platz und drum herum zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen statt.

Die „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“ bietet die Gelegenheit, sich zu informieren, mit anderen zu diskutieren und sich jetzt und in Zukunft deutlich gegen Rassismus und gegen Neonazis zu positionieren.

Auch in anderen Gesellschaften Europas droht das gesellschaftliche Klima sich deutlich nach rechts zu verschieben. Es gibt aber auch Anlass zur Hoffnung und Perspektiven, diesen Trend umzukehren. Zivilcourage an vielen Orten gehört dazu. Eine soziale Stadt, die nicht wegschaut. Gelebte Solidarität mit den Schwächeren. Ehrenamtliches Engagement für unsere neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Weltoffenheit und Toleranz. Und auch diese „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“ stellt für mich solch eine Perspektive dar.

Es liegt an uns selbst, dass ihre Wirkung über die eigentliche Aktionswoche hinausreicht und eine langfristige Zusammenarbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus und für Demokratie entsteht.

Ich sage ein herzliches Dankeschön allen Beteiligten an der „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“. Ihr Engagement stellt einen unverzichtbaren Beitrag im Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus dar, gegen Rassismus und Hasstiraden auf Migranten und Flüchtlinge.

Ja, diese „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“ ist ganz bewusst eine parteiische Aktionswoche.

Sie ergreift Partei für Demokratie, für Menschenrechte.

Sie ergreift Partei für eine richtig verstandene deutsche Leitkultur im Sinne der Menschenrechtsartikel unserer Verfassung: tolerant und weltoffen, solidarisch und demokratisch.

Sie ergreift Partei gegen dumpfen nationalistischen Populismus, Rassismus und Rechtsextremismus.

Denn Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Antiislamismus und Extremismus haben in unserer Stadt und unserer Gesellschaft nichts zu suchen!

Ihnen wünsche ich viele erkenntnisreiche Gespräche beim weiteren Programm auf diesem Platz und bei den kommenden Veranstaltungen im Rahmen der „Woche gegen Rechts – Für Demokratie“.

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult