Liebe Freundinnen und Freunde der gediegenen Bühnenkunst,

ich bin gebeten worden, zum Geburtstag zu gratulieren. Das fällt mir einerseits leicht, da meine Amtszeit als Bezirksbürgermeister begann, als sich in der Hinterbühne zum ersten Mal der Vorhang hob. Andererseits ist es nicht so einfach, wie es erscheinen mag, denn etwas Hintersinnvolles über einen Musentempel zu sagen, ist eine schwere Herausforderung.

Alsdann: Nun stehe ich also vor Ihnen, um darüber zu sprechen, was hinter mir liegt: Die Beschäftigung mit der wohl schwierigsten Präposition der deutschen Sprache: nämlich „hinter“.

Das deutsche Wörterbuch verzeichnet hier 169 Einträge, die, wenn ich sie alle verlesen wollte, meine Redezeit weit überschreiten würde. Ich habe mich daher entschieden, auf dieses semantische Referat zu verzichten. Stattdessen möchte ich etwas Licht in das „hinter“ bringen. Schon der Apostel Paulus war sich der Bedeutung dieser Präposition bewusst, wie wir aus der meisterhaften Übertragung seiner Briefe ins Deutsche durch Robert Gernhardt wissen: „Paulus schrieb an die Korinther, wer nicht vorne ist, bleibt hinter“. Damit hat Paulus, ohne es zu wissen, eine ziemlich präzise Beschreibung einer parlamentarischen Institution geliefert, des Hinterbänklers. Der wird fälschlicherweise als unbedeutender Abgeordneter angesehen. Das ist ausgesprochen hinterfotzig, denn wer in einer hinteren Reihe Platz nehmen muss, hat auf jeden Fall mehr im Blick.

Das gilt übrigens auch für das Theater oder das Kino, denn dort wird ein Platz in der erste Reihe zumeist despektierlich als „Rasiersitz“ bezeichnet. Der einzige Vorteil, den ein solcher Sitz bietet, ist trotz des nötigen Weitwinkelblicks auf die Bühne die Gewissheit, nicht vom Hinterhaupt eines Sitzriesen behindert zu werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Hinterbühne, die sich zwar in einem Hinterhaus befindet, aber anderslautenden Gerüchten zuwider nicht als riesiges Hinterzimmer anzusehen ist. Dort treffen sich für gewöhnlich Hintermänner und andere Obskuranten, um sinistre Pläne auszuhecken, zum Beispiel, wie man Opponenten hinters Licht führt oder in einen Hinterhalt lockt.

Solches hat die Hinterbühne nun wahrlich nicht nötig, denn hier wird jede Menge Hintergründiges feilgeboten und auch der eine oder andere Hintergedanke darf geäußert werden. Das sind dann geistige Hinterlassenschaften, die die Gäste nach vorne bringen können. Auch wenn es in der Hinterbühne das eine oder andere Hintertürchen gibt, das garantiert offen steht, die Theatermacherinnen und Theatermacher brauchen diese bestimmt nicht, um sich einen schnellen Abgang zu verschaffen. Das haben sie in den vergangenen zehn Jahren hintereinander unter Beweis gestellt.

Ich habe eingangs 169 Einträge erwähnt, die mit dem Wörtchen „hinter“ beginnen. Einer fehlt leider bis heute, und der muss dringend auch im deutschen Wörterbuch hinterlegt werden: Die Hinterbühne. Mit diesem Hintergedanken wünsche ich diesem Haus weiterhin alles Gute und schließe mit den hinterlassenen Worten eines in der Südstadt auf dem Stadtfriedhof Engesohde zur Ruhe gekommenen Hannoveraners: „Vorwärts nach weit“.

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult