Still wird es. Mucksmäuschenstill, als Frau Mielke, die Führerin durch die Gedenkstätte Bergen-Belsen, die ersten Informationsfolien auflegt. In ihrer sehr einfühlsamen Einführung lässt sie den Besuchern Raum, sich dem schwierigen Thema langsam zu nähern.

Es ist kein einfacher Ort, den sich Mitglieder des OV Südstadt-Bult für ihren Ausflug an diesem Sonntag ausgesucht haben. Die Gedenkstätte Bergen-Belsen liegt nur eine knappe Autostunde von Hannover entfernt.

Und doch scheint es, als entferne man sich mit jeder Information über das Konzentrationslager und den angrenzenden russischen Kriegsgefangenenfriedhof immer weiter fort vom Hier und Jetzt.

Häftlinge, als Arbeitskräfte eingesetzt, waren lt. überlieferter Rechnung ein Wirtschaftsfaktor: „An einem einzelnen Häftling verdient die SS bei dessen zu erwartender Lebensdauer im Lager von 9 Monaten 1.631 RM, bereits abgerechnet die Kosten für die Verpflegung (60 Pfennig pro Tag) und die Kosten für das Krematorium (2 RM) und bereits eingerechnet die Verwertung seiner Leiche incl. Haare, Knochen und der Asche“. Bei Millionen von Häftlingen rechnete es sich!

Das Lager Bergen-Belsen, auf dem Gelände eines Truppenübungsplatzes mitten hinein in die plötzlich gar nicht mehr so idyllische Lüneburger Heide errichtet, lässt sich anhand eines Geländeplans gut erläutern. Frau Mielke erklärt daran die Ursprungspläne und die ständige Erweiterung des Lagers.

Die „Rampe“, Endstation für zigtausende Menschen, liegt mitten im Wald, parallel verläuft die Panzerstraße des Truppenübungsplatzes. Als Symbol für die grauenvollen Transporte steht dort ein Vieh-Waggon. Auf dem Boden sind exakte kleine Felder markiert, eins für jeden Häftling. Hier bekommen Besucher eine vage Vorstellung von dem, was sich während der Transporte abgespielt hat. Endlich angekommen (wussten sie, wo?) stand den Deportierten noch ein 6 km langer Fußmarsch zum Lager bevor, den die Entkräfteten wenn überhaupt nur mit viel Mühe bewältigen konnten.

Ein Gang über das weitläufige Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen zeigt den Ort nicht als den der totalen Gräuel – keine Baracken, kein Krematorium, keine sichtbaren Zeichen der Vernichtungsmaschinerie mehr. So fanden ihn allerdings Mitglieder der Britischen Armee vor, als sie am 15. April 1945 das Lager erstmals betraten und befreiten. Sie fanden einen Ort des zigfachen Todes, der zigfachen Qualen.

Geblieben ist eine ruhige, beinahe ursprüngliche Heidelandschaft. Wären da nicht die Gräber. Massengräber, hügelig, mit Heidekraut bewachsen. Mit Zahlen: „Hier ruhen 4.000 Tote, hier ruhen 2.500 Tote.“ Über das gesamte Gelände verteilt zeugen sie von den Zehntausenden von Toten, die das Konzentrationslager Bergen-Belsen nicht überlebten. Die aus anderen Lagern auf sogenannten „Todesmärschen“ hierhergetrieben wurden, einzig um hier zu sterben. Die Britische Armee ließ aus Angst vor Seuchengefahr, vor Typhus und Ruhr die Toten in Massengräbern bestatten und brannte sämtliche Gebäude nieder.

Einer der wenigen Einzelgedenksteine, die sich wie verloren auf dem großen Gelände umeinander versammeln, ist Margot und Anne Frank gewidmet. Anne Frank, dieses kleine jüdische Mädchen, in Frankfurt geboren, nach Holland geflüchtet, versteckt, verraten und nach Auschwitz deportiert, mit einem der letzten Transporte nach Bergen-Belsen gebracht und hier umgekommen, hat für Bergen-Belsen eine hohe Symbolkraft. Ihr Schicksal steht für das vieler Kinder und Jugendlicher, für das der Opfer, die aufgrund ihres Glaubens ermordet wurden.

Seit 1952 ist Bergen-Belsen eine KZ-Gedenkstätte, die erste der Bundesrepublik. Seit 1952 steht auf diesem Gelände der Obelisk. Die Vielsprachigkeit an der Mauer des Gedenkens lässt ahnen, wieviele Nationen und Religionen Tote in den Konzentrationslagern zu betrauern haben. Der Vernichtungswille der Nationalsozialisten machte vor niemandem Halt. Und so gibt es u.a. Gedenksprüche in Norwegisch, Griechisch, Ungarisch, Englisch, Holländisch, Französisch, Polnisch, Russisch, für Juden, Sinti und Roma.

Eine Sonderausstellung widmet sich den Politischen Häftlingen, denen mit dem „Roten Winkel“. Einzelschicksale machen deutlich, dass niemand gefeit war gegen das Mord-Regime der Nationalsozialisten. Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete wie Heinrich Jasper aus Braunschweig fielen dem ebenso zum Opfer wie Mitglieder der Resistance oder des Warschauer Aufstandes.

Die Ausstellung im 2007 eröffneten Gedenkstätten-Gebäude vertieft noch durch eine Fülle von Exponaten, Dokumenten, Fotos, Video-Interviews und Filmaufnahmen der Britischen Armee die bereits gewonnenen Eindrücke.

Tenor aller Teilnehmer: Es war ein guter Tag. Wir ließen uns die nötige Zeit. Solch ein Ausflug lässt sich wiederholen. Bergen-Belsen ist nur eine knappe Autostunde von Hannover entfernt.

Margitta Schuermann

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult