Kaum jemandem ist in der Geschichte des Abendlandes so viel Unrecht widerfahren wie Esau. Das meint nicht nur die leichtfertige Dreingabe des Erstgeburtsrechts, sondern die damit verbundene Klassifizierung einer Speise, der bis heute völlig zu Unrecht das Stigma der Minderwertigkeit anhaftet: dem Linsengericht. Kulinarisch kulturell betrachtet gehört die Linse zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschheit. Im Gebiet des „Fruchtbaren Halbmondes“, das sich von der Levante über das Zweistromland bis in den westlichen Iran reicht, ist die Linse seit über 8000 Jahren heimisch. Gepaart mit Getreide waren Linsen das Überlebensmittel schlechthin.

Dass Linsengerichte bis heute vor allem als sämige, braune, süßlich-saure Pampen bekannt sind, haben die Prinzessinnen der Hülsenfrüchte nicht verdient, denn kaum ein Nahrungsmittel lässt sich so vielfältig mit anderen Zutaten kombinieren wie die Linse. Es war also an der Zeit, dass ihr endlich ein Küchenkünstler die gebührende kulinarische Ehre erweist. Achim Schwekendiek heißt der Mann, der als Sternekoch in den altehrwürdigen Mauern des Schlosses Münchhausen tätig ist. Schwekendiek beehrt bei seinem kulinarischen Diskurs alle wesentlichen Regionen der Linsenliebhaberei von Indien über den Mittleren Osten bis in den Mittelmeerraum. Auch die deutschen Lande kommen nicht zu kurz.

Über 70 ausgeklügelte Linsengerichte hat Achim Schwekendiek, vortrefflich von Barbara Lutterbeck ins Bild gesetzt, in einer Rezepte-Sammlung zusammengetragen, die er nicht ganz unbescheiden „Das Kochbuch“ nennt. Zu Recht, wie es nicht nur der linsenkundige Rezensent einschätzt. Eine kulinarisch hochwertige Variante der klassischen deutschen Linsensuppe hat er ebenso in sein Kompendium aufgenommen wie etliche linsenbehaftete Desserts. Auch Esau lässt der Meister späte Gerechtigkeit widerfahren mit einer Variante des Tauschobjektes, das als „Basmatireis mit Linsen und Zimt endlich die angemessene Beachtung erfährt. lopo

Achim Schwekendiek, Barbara Lutterbeck, Linsen - Das Kochbuch, edition styria, 2011, 160 S., € 24,99


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