Von der Hildesheimerstraße bis zur Westspitze des Bertha-von-Suttner-Platzes führt die Böhmerstraße und kreuzt dabei die Mendelssohnstraße. Weithin sichtbares „Wahrzeichen“ der Böhmerstraße ist der schnörkellos kubische Turm der 1964 geweihten Athanasiuskirche, die heute eine der drei Kirchen der Südstadt-Gemeinde ist. Neben dem Kirchenraum beherbergt das Gebäude das bundesweit einzige „Haus der Religionen“, das Kulturbüro und das Uhu-Theater, das sich in den vergangenen Jahren zu einer der besten Kleinkunstbühnen Deutschlands gemausert hat. Im Untergeschoss der Athanasiuskirche tagt der Bezirksrat Südstadt-Bult. Direkt angrenzend an das Kirchengebäude liegt die „Südstadt-Schule“, die aus der Peter-Petersen-Schule hervorgegangen ist. Die Namensumbenennung war wegen der Nazivergangenheit des Reformpädagogen Peter Petersen notwendig geworden. An der Ecke Böhmerstraße/Bodenstedtstraße hat das Gemeindebüro der Südstadtgemeinde sein Zuhause. Benannt ist die Böhmerstraße mit großer Wahrscheinlichkeit 1973 nach dem Kirchenrechtsgelehrten Justus Henning Boehmer.

Justus Henning Böhmer

Justus oder auch Jobst Henning Boehmer wird am 29. Januar 1674 als Sohn des kaiserlichen Notars und Rechtskonsulenten Valentin Boehmer und der Anna Margarethe Schirmer in Hannover geboren, wo er seine Kindheit verbringt und die Schulbank drückt. Ab 1693 studiert er in Jena Rechtswissenschaften, Philosophie und Theologie. Nach seiner ersten Dissertation kehrt Justus Boehmer 1695 als Advokat nach Hannover zurück. Allzuviel Freude bereitet ihm diese Tätigkeit offenbar nicht, denn schon zwei Jahre später zieht es ihn zunächst für kurze Zeit als Hofmeister an die Universität Rinteln und nach nur wenigen Monaten Lehrtätigkeit an die Martin-Luther-Universität in Halle. Dort verteidigt Justus Boehmer 1699 seine zweite Dissertation und wird 1701 zum außerordentlichen Professor ernannt. Seine Karriere in Diensten zum preußischen Königshaus hätte durchaus anders verlaufen können, denn schon 1715 verleiht ihm der kaiserliche Hof zu Wien die Pfalzgrafenwürde und den Titel eines Hofrates. Um Boehmer in Preußen zu halten ernennt ihn König Friedrich Wilhelm I. zum geheimen Rat und Direktor der Universität Halle. 1743 schließlich wird Justus von Boehmer mit dem Amt des Regierungskanzlers im Herzogtum Magdeburg betraut. Boehmer stirbt am 23. August 1749 in Halle und wird auf dem Stadtgottesacker beerdigt, einem der wenigen erhalten gebliebenen Renaissancefriedhöfe in deutschen Landen. Bis heute zählt Justus Henning von Boehmer, der als tiefreligiöser Mann auch Kirchenlieder schrieb, zu den Klassikern des evangelischen Kirchenrechts. Seine fünfbändige „Jus ecclesiasticum protestantium“ erscheint 1714 in Halle. Boehmers Hauptwerk „Introductio in jus digestorum“ ist eine der wesentlichen Grundlagen für das „Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten“.


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36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult