Im November 1967 ging Fritz Teufel in die deutsche Justizgeschichte ein. Angeklagt, anlässlich einer Demo gegen den Besuch des Schahs am 2. Juni einen Stein geworfen zu haben, musste sich Teufel während der Verhandlung die richterliche Mahnung anhören, er möge sich doch schweifiger Ausführungen enthalten und stattdessen Tatsachen vorbringen, die der Wahrheitsfindung dienen. Teufel revanchierte sich achtersinnig und beschied die richterliche Aufforderung, sich bei der Einvernahme zu erheben, mit der Antwort: „Wenn‘s der Wahrheitsfindung dient“.

Dass der hannoversche Rechtsanwalt Werner Holtfort, ein Großmeister des verbalen Feinsinns, dem „Spaßgerilja“ in den Bereich des juristischen Hausputzes folgen würde, war fast zu befürchten. In Gestalt seines „alter ego“ Dr. L. Amöneburg aus Winsen/Luhe macht sich Holtfort in einem Leserbrief an seine eigene Adresse über die Notwendigkeit des schwarzen „Lügenkittels“ her und schildert den Fall eines Kollegen, dem nach durchzechter Nacht nichts Anderes übrig geblieben war, als mit der Robe seinen Schlafanzug zu bedecken. Vielleicht hat es ja der Wahrheitsfindung gedient. Listig lässt Holtfort den Setzer anmerken: „Die Robe ist des Anwalts Zopf, sie hat er nötig - nicht den Kopf.“

Solcherlei grundlegende Erkenntnisse waren seinerzeit abgedruckt in einem Periodikum mit dem bezeichnenden Titel „einsprüche“, das Werner Holtfort gemeinsam mit den Kollegen Bertram Börner und Wilhelm Helms gegründet hatte, um der Ernsthaftigkeit in der juristischen Auseinandersetzung ein angemessenes Forum zu geben. Dort legt Holtfort im Dezember 1980 unmissverständlich dar, welches Einsparpotenzial in Niedersachsens Justiz-System schlummert. „Die meisten Richter wird man schwerlich vor 9.30 Uhr und nach 13.00 Uhr in ihren Dienstzimmern antreffen. Das sind vier Stunden an sitzungsfreien Tagen, mithin 12 Stunden wöchentlich. Nun hat die Woche bekanntlich 168 Stunden . Führt man entsprechende Schichtarbeit ein, so kämen 14 Richter mit einem einzigen Dienstzimmer aus.“

Mitunter ironisch, gelegentlich bissig, aber immer präzise macht sich Werner Holtfort über die nicht enden wollenden Versuche her, der deutschen Sprache Gewalt anzutun. Im April 1990 mokiert er sich als „amö“ über den „Marktschreier-Stil“, neudeutsch gesprochen den inflationären Gebrauch des Hyperlativs „ Es wimmelt in jedem Satz von voll und ganz, ganz und gar, gänzlich, in Gänze, schlicht und einfach, geradezu, höchst, in höchstem Grade, vollkommen, völlig, vollständig ... echt.“ Das lässt der Kritiker von Dante kommentieren: „Alles Überflüssige missfällt Gott und der Natur. Alles, was Gott und der Natur missfällt, ist schlecht.“.

Hier kommt nun auch B. Lamm aus Springe ins Spiel, um dessen gesammelte Werke es sich ja ausweislich des Buchtitels handelt. Bissig macht sich Lamm über den Konjunktivismus her und empfiehlt Rechtsfreunden: „Eure Rede sei nicht „ja, ja, nein, nein“, sondern: ich würde sagen ja, ich würde sagen nein. Was so viel bedeutet wie: ich sage nicht ja, ich sage nicht nein“. Respekt, Herr Lamm: das würde doch gleichermaßen geradezu nach Zustimmung rufen, denn schon Mephisto weiß: „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen“. Gemach: der Stoßseufzer eines alten Arabers lautet nämlich: „Deutsche Sprach, schwere Sprach“. (S. 78)

Wie schön, dass Sylvia Remé die Satiren und Glossen des Werner Holtfort gesammelt und herausgegeben hat. Erschienen sind „Gesammelte Werke vom bissigen Lamm“, versehen mit einem Vorwort von Wolfgang Jüttner, der 1990 die Ehre hatte, Holtfort Wahlkreis zu übernehmen, im JMB-Verlag in Hannover. Das 200 Seiten starke „opus magnum“ des bissigen Lamms ist unter www.jmb-verlag.de zum Preis von € 9,95 erhältlich. Für die Bewahrung der deutschen Sprache ist dies gut angelegtes Geld.


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36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult