Im Neubaugebiet, das zu Beginn der 1950er Jahre südlich des Altenbekener Damms zwischen Stresemannallee und Mainzer Straße angelegt wurde, liegt zwischen Pfalzstraße und Anna-Siemsen-Weg der Gertrud-Bäumer-Weg. Benannt ist er nach der bürgerlichen Frauenrechtlerin Gertrud Bäumer.

Gertrud Bäumer

Sie gilt bis heute als „Grande Dame“ der bürgerlich-demokratischen Frauenbewegung, obwohl ihr politisches Verhalten zum Ende der Weimarer Republik und während der Nazi-Zeit - vorsichtig ausgedrückt - als zwiespältig anzusehen ist. So beklagt sich Gertrud Bäumer schon im August 1930 darüber, dass in ihrer Deutschen Demokratischen Partei (DDP) eine „einseitig asphalt-demokratische Judenatmosphäre“ herrscht. Und als ikone des „Bundes Deutscher Frauenvereine“ schreibt sie nach der Zerschlagung der Weimarer Republik: „Im letzten Grunde ist es vollkommen gleichgültig, wie der Staat beschaffen ist, in dem heute die Einordnung der Frauen besteht: ob es ein parlamentarischer, ein demokratischer, ein fascihistischer Staat ist. Immer wird die Grundforderung die gleiche sein, den Kultureinfluß der Frau zu voller innerer Entfaltung und freier sozialer Wirksamkeit zu bringen.“ Dass diese Freiheit vor allem darin besteht, dem „Führer“ Kinder für die Feldzüge zu schenken, macht der Organiisatorin des „Nationalen Frauendienstes“, der während des 1. Weltkriegs den freiwilligen Kriegseinsatz von Frauen in Industrie und Wirtschaft zu koordinieren versuchte, wenig Kopfzerbrechen.

Geboren wird Gertrud Bäumer am 12. September 1873 in Hohenlimburg bei Hagen als ältestes von drei Kindern der Pastorenfamilie Emil und Luise Bäumer. Der Vater stirbt, als Gertrud zehn Jahre alt ist. Dennoch gelingt es ihrer Mutter, der ältesten Tochter den Besuch einer Oberschule zu ermöglichen, nach deren Abschluss sich Gertrud Bäumer zur Volksschullehrerin ausbilden lässt. 1898 zieht die Jungelehrerin nach Berlin, wo sie das Oberlehrerinne-Examen besteht. Gleichzeitig nimmt sie, nachdem alle Professoren ein positives Votum abgegeben haben, ein Studium an der Berliner Universität auf, das sie mit der Promotion abschließt.

In dieser Zeit lernt sie die liberale Leitfigur Friedrich Naumenn und die große Dame der bürgerlichen Frauenbewegung, Helene Lange, kennen, deren wichtigste Mitarbeiterin sie wird. Bereits 1910 wird Gertrud Bäumer zur Vorsitzenden des „Bundes Deutscher Frauenvereine“ gewählt und gilt bald als dessen „graue Eminenz“.

Im Sommer 1920 beruft der liberale Reichsinnenminister Erich Koch-Weser Gertrud Bäumer zur Ministerialrätin in seinem Ministerium. Sie ist die erste Frau in einem solchen Amt. Bis zu ihrer Entlassung wegen angeblicher „Unzuverlässigkeit in der Frauenfrage“ sieben Wochen nach der Machtübertragung an die Nazis leitet Gertrud Bäumer im Innenministerium das Referat für Schule und Volkswohlfahrt.

In den letzten Jahren der Weimarer Republik gebärdet sich die ursprünglich linksliberale Gertrud Bäumer eher rechtskonservativ und schwadroniert von der Verantwortung der Frauen für den Aufstieg und Verfall der biologischen Vielfalt“. Die von ihr geleitete Zeitschrift „Die Frau“ kann Gertrud Bäumer auch während der Nazi-Zeit unbehelligt herausgeben. Sie zeigt Wohlwollen für die Politik Adolf Hitlers und preist den Zweiten Weltkrieg als „nationale Befreiungstat“. Zwischen 1934 und dem Kriegsende verfasst Gertrud Bäumer ein Dutzend Bücher, darunter Biographien über Dante und Rainer Maria Rilke.

In den letzten Kriegswochen wird Gertrud Bäumer nach Bamberg verschlagen, wo sie Mitgründerin der CSU wird. 1948 zieht mit ihrer Schwester nach Bad Godesberg. Altersschwach und krank wird sie zum Ende ihrer Tage in die Bodelschwinghschen Anstalten nach Bethel bei Bielefeld verlegt, wo sie am 25. März 1954 stirbt. Gertrud Bäumer wird auf dem Bielefelder Waldfriedhof beigesetzt.


Hier geht es zurück zur Übersicht

36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult