Am 2. Januar 1492 kapitulierte in Granada der letzte nasridische Herrscher Muhammad XII. und übergab die Stadt an Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon. Vertraglich, so ist es überliefert, wurde Granadas muslimischer Bevölkerung das Bleiberecht und das Recht auf Ausübung ihres Glaubens zugestanden.

Nur sieben Jahre später endete die vermeintliche Freizügigkeit auf einem Scheiterhaufen, den Erzbischof Jimenez de Cisneros auf dem Marktplatz hatte errichten lassen, um Bücher zur islamischen Theologie und Philosophie, zur Geschichtsschreibung und zu den besonders verhassten Naturwissenschaften verbrennen zu lassen. Parallel zur Bücherverbrennung organisierten die katholischen Machthaber einen Pogrom, der sich vor allem gegen die Juden Granadas richtete.

Diese Verbrechen nahm Heinrich Heine 1821 zum Anlass, in seiner Tragödie „Almansor“ jenen Satz zu notieren, der wie kaum ein anderer zum Gedenken an den Tag der Bücherverbrennung des Jahres 1933 passt. „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“. Ob Heinrich Heine bei der Abfassung des Almansor die Bücherverbrennung während des Wartburgfestes am 18. Oktober 1817 im Hinterkopf hatte, ist nicht überliefert, darf aber angenommen werden, denn in seiner Denkschrift über Ludwig Börne beleuchtete Heine die gespenstischen Ereignisse während des deutschnationalen Studentenfestes mit den Worten: „Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte als Bücher zu verbrennen!“

Und Heinrich Heine nannte auch einen der geistigen Brandstifter, ohne ihn beim Namen zu nennen: „Derjenige, welcher das Bücherverbrennen auf der Wartburg in Vorschlag brachte, war auch zugleich das unwissendste Geschöpf, das je auf Erden turnte und altdeutsche Lesarten herausgab“. Die Studenten verbrannten auf der Wartburg August Kotzebues „Geschichte des deutschen Reiches“, Karl Leberecht Immermanns „Ein Wort zur Beherzigung“ und Saul Aschers Buch „Die Germanomanie“. Gemeinsam war den drei Autoren ihr Spott auf jenes „unwissende Geschöpf“, das als „Turnvater“ in die deutschen Geschichtsbücher eingegangen ist: Friedrich Ludwig Jahn. Neben Ernst Moritz Arndt und Johann Gottlieb Fichte zählte Jahn in jenen Jahren zu den führenden Antisemiten.

Was Heinrich Heine in seinem berühmten Vers aus dem „Almansor“ auf den Punkt brachte, hatte Saul Ascher in seiner „Germanomanie“ 1815 vorweggenommen:
„Man muss die Menge, um auch sie für eine Ansicht oder Lehre einzunehmen, zu begeistern suchen; um das Feuer der Begeisterung zu erhalten, muß Brennstoff gesammelt werden, und in dem Häuflein Juden wollen unsere Germanomanen das erste Bündel Reiser zur Verbreitung ihres Fanatismus hinlegen“.

Der Wartburger Feuerspruch zur Verbrennung des Buches von Saul Ascher lautete:
„Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judenthum und wollen über unser Volksthum und Deutschthum spotten und schmähen“.

Saul Ascher, den Heine zu seinen Vorbildern zählte, starb am 8. Dezember 1822 in Berlin an Erschöpfung — und geriet in Vergessenheit. Nur so ist es wohl zu erklären, dass seine „Germanomanie“ nicht am 10. Mai 1933 unter der Bismarck-Säule verbrannt wurde. Sie war nicht mehr in den Buchhandlungen der Stadt erhältlich und in den Bibliotheken nicht vorgehalten, die Studierende der Hannoverschen Hochschulen in den Tagen vor der Bücherverbrennung aufsuchten, um die auf schwarzen Listen aufgeführten Bücher zu konfiszieren und dann zu den Sammelstellen für „Schund und Schmutz“ zu bringen. Eine von diesen ist von besonderer Bedeutung, denn sie war die Schule eines Opfers und eines maßgeblichen Täters.

An der Goethestraße, wo nach dem 2. Weltkrieg das Eichamt errichtet wurde, befand sich bis zum großen Bombenangriff auf Hannover die Goetheschule. Dort machte der nachmalige preußische NS-Kultusminister Bernhard Rust, der die schwarzen Listen abgezeichnet hatte, ebenso sein Abitur wie der Hannoversche Schriftsteller Karl Jakob Hirsch, dessen fulminanter Hannover-Roman „Kaiserwetter“ auf die Liste gesetzt und am 10. Mai vor 79 Jahren hier verbrannt wurde. Jenes Buch also, von dem der Verleger Samuel Fischer 1931 gesagt hatte, es sei im besten Deutsch seit Theodor Fontane geschrieben.

Für die marodierenden Studenten war Hirschs Werk „undeutschen Geistes“ und damit „Schund“ und befand sich auf jenem Viehwagen, der am 10. Mai 1933 das Ende des Fackelzuges bildete, der sich um 20.30 Uhr vom „Horst-Wessel-Platz“, dem heutigen Königsworther Platz, in Bewegung setzte. In der nationalsozialistischen „Niedersächsischen Tageszeitung“ hieß es am 12. Mai:
„Man hätte außer einer Dungkarre kaum ein besseres Gefährt finden können für den Berg von Schmutz, der sich darauf häuft. (...) Einem Nationalsozialisten kann dabei schlecht werden. Man versucht zu vergessen daß der leise Stallgeruch eigentlich dem Wagen anhaftet, er könnte gerade so gut diesem Haufen Unrat entströmen.“

Unter den Büchern, die an der Bismarck-Säule vor 79 Jahren verbrannt wurden, befand sich neben den Werken Egon Erwin Kischs, Lion Feuchtwangers und Erich Maria Remarques, um nur einige zu nennen, auch die Erinnerung Gustav Noskes an den Matrosenaufstand mit dem Titel „Von Kiel bis Kapp“. Noske, den die Nazis während ihrer „tausendjährigen Herrschaft“ weitgehend in Ruhe ließen, ist wenige Meter von hier entfernt auf dem Engesohder Friedhof begraben. Die letzten Bücher, die unter Absingen des „Horst-Wessel-Liedes“ am 10. Mai hier verbrannt wurden, waren die Werke Thomas Manns.

Am 12. Mai 1933, an dem sich braune Schmierfinken ihrer „Säuberung“ rühmen durften, veröffentlichte in der Wiener Arbeiterzeitung der ins Exil geflüchtete Oskar Maria Graf seinen berühmt gewordenen Appell „Verbrennt mich“, nachdem er im Berliner Börsenkurier hatte lesen müssen, dass er auf der „weißen Autorenliste“ des neuen Deutschland stehe.

„Die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus, der mit Deutschsein nichts, aber auch schon gar nichts zu tun hat, unterstehen sich, mich als einen ihrer „Geistigen“ zu beanspruchen, mich auf ihre sogenannte weiße Liste zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann! Diese Unehre habe ich nicht verdient! Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, daß meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen! Verbrennt die Werke des deutschen Geistes. Er selber wird unauslöschlich sein, wie eure Schmach!“

In Erinnerung an die Ereignisse vom 10. Mai 1933 schrieb der verbrannte Dichter Heinrich Mann drei Jahre später im Exil in Nizza:
„Der Bücherverbrennung soll man gedenken - um der Ohnmacht willen, die sich erdreistete, Scheiterhaufen zu errichten für Geisteswerke: als ob Geisteswerke nicht feuerfest wären.“

Dieser Aufforderung Heinrich Manns folgen wir heute und morgen in Hannover und dafür bedanke ich mich bei allen, die viel Mühe bei der Arbeit gegen das Vergessen haben walten lassen, vor allem bei den Schülerinnen und Schülern der Tellkampfschule, die heute am Vorabend des Gedenktages an die Bücherverbrennung erinnern. So verstehe ich Arbeit an der Zukunft, denn so wird das Vergangene nie vergehen.

Literatur: Werner Treß, „Wider den undeutschen Geist“ Bücherverbrennung 1933, Berlin, 2003/2008