Diese Straße ist recht eigentlich eine Hinterhofdurchfahrt. Die Friedrich-Silcher-Straße führt parallel zur Mendelssohnstraße von der Engelhardstraße zur Heinrich-Heine-Straße. Benannt ist sie seit 19927 nach dem Volksliedkomponisten Friedrich Silcher.

Friedrich Silcher

Wer zu seinem 200. Geburtstag mit einer Sondermarke der Deutschen Bundespost geehrt wird, kann eigentlich kein Unbekannter sein. Das trifft mit Sicherheit auf Friedrich Silcher zu. Er ist einer unserer unbekanntesten Bekannten. Geboren wird er als Philipp Friedrich Silcher am 27. Juni 1789 in Schnait im württembergischen Remstal als Sohn eines Schulmeisters. 1806 tritt er in Fellbach eine Lehrstelle als „Schulknecht“ bei dem Organisten Nikolaus Ferdinand Auberlen an. I selben Jahr wechselt Silcher als Lehrgehilfe nach Schorndorf, wo er Hauslehrer beim Freiherrn von Berlichingen wird. Der siedelt sich 1809 in Ludwigsburg an und verschafft Friedrich Silcher eine Anstellung an der dortigen Mädchenschule. In der ehemaligen württembergischen Residenzstadt macht Silcher die Bekanntschaft der frühromantischen Komponisten Conradin Kreutzer und Carl Maria von Weber, die dem begabten jungen Mann empfehlen, sich ganz der Musik zu widmen. Conradin Kreutzer und der österreichische Komponist Johann Nepomuk Hummel unterweisen Friedrich Silcher im Klavierspiel und in der Kompositionslehre.

Ab 1817 arbeitet Friedrich Silcher als erster Musikdirektor an der Universität Tübingen. 1829 gründet er dort die bis heute bestehende „Akademische Liedertafel“, die er bis zu seinem Tod leitet. In Tübingen widmet sich Silcher der Harmonielehre und macht sich einen Namen durch sein „Dreistimmiges württembergisches Choralbuch“. Auch als Motettenkomponist und Kammermusiker tritt Silcher hervor. Seinen Nachruhm allerdings begründet er mit der Komposition von Volksliedern, von denen viele zum klassischen deutschen Liedgut gehören. „Am Brunnen vor dem Tore“ gehört ebenso dazu wie „Ännchen von Tharau“. Selbst die Nazis waren nicht in der Lage, Silchers Heine-Vertonung „Lorelei“ aus dem Liedschatz zu verbannen. Lediglich Heines Urheberschaft ersetzten sie durch die Angabe: „Verfasser unbekannt“.

Zwei Lieder sind bis heute unüberhörbar geblieben, selbst für Menschen, denen der fröhliche Volksgesang ansonsten fremd ist. Auch Nichtchristen beschwören „Alle Jahre wieder“ das von Friedrich Silcher in Noten gefasste Christuskind und Soldaten der Bundeswehr müssen sich erheben und salutieren, wenn „Der gute Kamerad“ ertönt, den Silcher nach einem Gedicht von Ludwig Uhland vertont hat. Zu besonderen Anlässen ist selbst im Bundestag die Zeile zu hören: „Ich hatt einen Kameraden“.

Friedrich Silchers bekanntestes Lied wird schon 1858 von Henry William Dulcken in den USA bekannt gemacht, versehen mit der wahrhaft hölzernen Titelzeile „Must I then? Must I, then? From the town must I, then?“. Der große internationale Erfolg dieses Liedes stellt sich jedoch erst 1960 ein. Die Schallplattenfirma RCA Telefunken-Decca veröffentlicht das Lied „Wooden Heart“, das Elvis Presley am 28. April des Jahres in Frankfurt am Main aufgenommen hat. Als Urheber sind auf der Single die Namen „Wise“, „Weisman“ und „Twomey“ angegeben. In Großbritannien kommt noch Bert Kaempfert als Autor hinzu. Silchers Rechte als Urheber sind zu dieser Zeit schon seit Jahrzehnten abgelaufen. So kann es kommen, wenn man einer der unbekanntesten Bekannten ist.

Wer denn nun überhaupt mit Musik nichts am Hut hat, kann zur Flasche greifen. Seit 1951 gibt es den aus Kerner- und Sylvanertraube neugezüchteten Silcherwein. Wem dabei noch Silchers Lied „Ein könig ist der Wein“ einfällt, darf sich als absoluter Kenner des Unbekannten fühlen.


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