Vom Bischofsholer Damm biegt stadtauswärts - zwischen Heiligengeiststraße und Freundallee gelegen - die Haeckelstraße nach links ab und führt bis zur Willestraße. An der Haeckelstraße liegen die Synagoge der Jüdischen Gemeinde und das Jüdische Altenheim. Benannt ist die Straße seit 1924 nach dem Zoologen und Philosophen Ernst Haeckel.

Ernst Haeckel

Ernst Haeckel

Spätestens seit dem Auftreten der Grünen in der politischen Landschaft ist der Begriff „Ökologie“ in aller Munde. Die Silbe „öko“ wird durchweg positiv angesehen und signalisiert Umweltbewusstsein. Der Begriff ist - anders die griechischen Wortbestandteile vermuten lassen - nicht einmal 150 Jahre alt. „Erfunden“ hat ihn 1866 der Zoologe Ernst Haeckel, von dem auch die erste Begriffsbestimmung stammt:

„Unter Oecologie verstehen wir die gesammte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle „Existenz-Bedingungen“ rechnen können. Diese sind theils organischer, theils anorganischer Natur; sowohl diese als jene sind, wie wir vorher gezeigt haben, von der grössten Bedeutung für die Form der Organismen, weil sie dieselbe zwingen, sich ihnen anzupassen.“

Ernst Heinrich Philipp August Haeckel wird am 16. Februar 1834 als zweiter Sohn des preußischen Oberregierungsrates Carl Haeckel und dessen Frau Charlotte geboren. Ein Jahr nach der Geburt zieht die Familie nach Merseburg, wo Ernst Haeckel das Domgymnasium besucht. Schon früh zeigt er ein so ausgeprägtes Interesse an der Biologie, dass sein Vater einen Privatlehrer verpflichtet, der dem Sohn die Grundlagen der Botanik beibringt. An die Schule erinnert sich Ernst Haeckel in diesem Zusammenhang wenig begeistert:

" Das Hauptgewicht wurde auf die genaue Kenntnis des griechischen und römischen Altertums gelegt, auf die völlige Beherrschung der griechischen und lateinischen Sprache (....) Erst in zweiter Linie kam die deutsche Sprache und Literatur, sodann Französisch und Mathematik. In dritter Linie, ganz im Hintergrunde, standen Geographie und Naturkunde"

Zeitlebens wird Ernst Haeckel daher für die Förderung der Naturwissenschaften im Schulunterricht werben.

Nach dem Willen der Eltern studiert Ernst Haeckel ab 1852 Medizin in Berlin, Würzburg und Wien. 1856 wird er „Königlich bayrischer Assistent an der pathologisch-anatomischen Anstalt zu Würzburg“ beim schon damals berühmten Rudolf Virchow in. Ein Jahr später wird Haeckel in Berlin mit einer Arbeit über die Gewebe der Flusskrebse promoviert. 1858 absolviert er das medizinische Staatsexamen, ohne jedoch großes Interesse für diesen Beruf zu zeigen. Er erhält seine Approbation und eröffnet eine Praxis im elterlichen Haus. Die ist allerdings wenig einträglich, weil Haeckel nur von fünf bis sieben Uhr praktiziert und ansonsten naturwissenschaftliche Studien betreibt.

1861 habilitiert sich Ernst Haeckel mit einer Arbeit über die Ordnung von Rhizopoden (Wurzelfüßer) an der Universität Jena. Ein Jahr später wird er dort zum außerordentlichen Professor für vergleichende Anatomie an der Medizinischen Fakultät berufen. Obwohl sich viele Universitäten um den jungen Gelehrten bemühen, bleibt Ernst Haeckel Jena und der Universität treu. 1865 wird er dort Ordinarius für Zoologie, die er an der Philosophischen Fakultät ansiedelt. Das ist konsequent, denn Haeckel ist ein Grenzgänger zwischen den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften.

Ein Jahr später trifft Ernst Haeckel in England zum ersten Mal sein großes Vorbild Charles Darwin und wird zu einem herausragenden Verfechter der Evolutionstheorie. Den Kosmos sieht Haeckel als „allumfassendes Naturganzes“, in dem Gott nicht als Schöpfer anzusehen ist, sondern als Summe aller Kräfte und Materie. Konsequent lehnt er die Trennung von Geist und Materie ab und setzt sich Widerspruch zur theologischen Lehrmeinung, der er sich so weit entfremdet, dass er sich ab 1877 von Kirche und Christentum abwendet und - in jenen Jahren selbst für einen Mann seines Renommees mutig - die Abschaffung des Religionsunterrichts fordert.

Ernst Haeckel bleibt ein streitbarer, kirchenkritischer Geist, was er 1899 mit der Veröffentlichung seiner Buches „Welträtsel“ unter Beweis stellt. Darin ficht er gegen kirchliche Dogmen und propagiert den „Monismus“ als Weltanschauung, nach der alle Dinge, Erscheinungen und Erkenntnisse auf einem Grundprinzip beruhen. Um diese Position zu verbreiten, gründet der überzeugte Freidenker 1906 in Jena den „Deutschen Monistenbund“. Haeckel ist nicht nur „Freidenker“, sondern bis zum Beginn des 1. Weltkrieges ausgesprochener Pazifist und korrespondiert mit Bertha von Suttner.

Fragwürdigen Nachruhm erlangt Ernst Haeckel mit seinen sozialdarwinistischen Überlegungen zur „Rassenhygiene“. In seinem Buch „Die Lebenswunder“ postuliert er 1904:

„Es kann daher auch die Tötung von neugeborenen verkrüppelten Kindern, wie sie z.B. die Spartaner behufs der Selection des Tüchtigsten übten, vernünftigerweise nicht unter den Begriff des Mordes fallen, wie es noch in unseren modernen Gesetzbüchern geschieht. Vielmehr müssen wir dieselbe als eine zweckmäßige, sowohl für die Beteiligten, wie für die Gesellschaft nützliche Maßregel billigen.

Mit seiner Forderung, Schwerkranke auf ihren Wunsch und Schwerbehinderte auch ohne Zustimmung zu töten, wird Ernst Haeckel zwangsläufig zu einem der wesentlichen Vordenker der Euthanasie, die während der Nazizeit zum verbrecherischen Programm für die Auslöschung „unwerten“ Lebens wird.

Bis zu seinem Tode bleibt Haeckel wissenschaftlich produktiv und untersucht in seinem letzten Buch die Seele als ein Zusammenspiel unterschiedlicher Gehirnfunktionen, wobei er die Entstehung der menschlichen und der tierischen Seele auf eine Stufe stellt. Ernst Haeckel stirbt am 9. August 1919 in seiner Villa in Jena.


Ernst Haeckel
Der Fotograf ist nicht bekannt.


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