Ausgehend von der Hans-Böckler-Allee führt die Seligmannallee in Verlängerung der Clausewitzstraße in südlicher Richtung bis zur Röpkestraße. Benannt ist sie seit 1962 nach dem Geheimen Kommerzienrat und städtischen Ehrenbürger Siegmund Seligmann. Die Straße entstand bei der Anlage des städtischen Schlacht- und Viehhofes und hatte von 1880 bis 1962 den Namen Schlachthofweg.

Siegmund Seligmann

Am 7. April 1876 wird ein noch nicht einmal 23 Jahre junger Mann vom Aufsichtsrat der „Continental Caoutchouc & Gutta-Percha-Compagnie“ gebeten, in die Leitung der Firma einzutreten. Der junge Mann heißt Siegmung Seligmann. Geboren wird er am 19. August 1853 in Verden an der Aller, wo sein Vater Samuel und seine Mutter Johanna einen Lederhandel betreiben. Seligmann besucht das Verdener Domgymnasium, das er nach der Mittleren Reife verlässt, um hernach im Manufakturwarengeschäft von Moritz Meyer in Harburg eine kaufmännische Lehre zu absolvieren.

Seine erste Anstellung erhält Siegmund Seligmann als Kassenbeamter im Bankhaus Moritz Magnus in Hannover. Dieses ist Hauptkreditgeber der 1871 gegründeten „Continental Caoutchouc und Gutta-Percha-Compgnie“, und sorgt sich wegen anhaltender Verluste des Kreditnehmers um das eingebrachte Kapital in Höhe von 55.000 Reichsmark. Moritz Magnus beauftragt seinen jungen Angestellten Siegmund Seligmann, die Bücher zu prüfen und über die Zukunftsfähigkeiten der Firma zu urteilen. Seligmanns Urteil fällt positiv aus und so kommt es zu dessen Wechsel vom Bankhaus Moritz zur „Continental Caoutchouc und Gutta-Percha-Compgnie“. Noch im selben Jahr wird Seligmann Prokurist.

Zu dieser Zeit beschäftigt die Firma 250 Mitarbeiter*innen. Drei Jahre später avanciert Seligmann zum kaufmännischen Direktor und bildet mit dem technischen Direktor, dem Chemiker Adolf Prinzhorn, den Vorstand des Unternehmens. Das Produktionsprogramm umfass in diesen Produkte aus Weichgummi; neben Gummibällen werden Hufpuffer (für Pferde), Schläuche für Dampf-, Wasser- und Gasleitungen, gummibezogene Stoffe für Ballone, Luftschiffe und Flugzeuge, wasserdichte Kleidung und medizinisch-hygienische Artikel hergestellt. Seligmann und Prinzhorn beginnen mit der Runderneuerung des Unternehmens. Ab 1892 werden so genannte „Pneumatics“ hergestellt, also Luftreifen für Fahrräder. Damit ist die Firma als erste am Markt. 1898 folgen profillose Luftreifen für Automobile. 1904, als an einen Automobil-Boom noch nicht zu denken ist, wartet Conti mit einer Weltneuheit auf: Profilreifen für Automobile. Dafür wird das Werk in Hannover-Vahrenwald ausgebaut. 1912 entwirft der damalige „Star-Architekt“ Peter Behrens das Verwaltungsgebäuude an der Vahrenwalder Straße.

Zu Beginn des 1. Weltkrieges beschäftigt die Conti 13.000 Mitarbeiter*innen. und erzielt einen Jahresumsatz von 120 Millionen Reichsmark. Das Unternehmen ist damit das mit Abstand größte der deutschen Gummibranche und wird weltweit neben „Dunlop“ und „Michelin“ in einem Atemzug genannt. Auch wenn Siegmund Seligmann den Titel „Generaldirektor“ für sich nicht in Anspruch nimmt, so ist er doch der allgegenwärtige Patriarch des Hauses, der selbst den Sonntag als Arbeitstag nicht auslässt. Diesem Beispiel müssen die leitenden Angestellten der Conti folgen, wohl nicht immer aus Überzeugung.

Siegmand Seligmann ist bereits ein angesehenes Mitglied der hannoverschen Stadtgesellschaft, als er 1903 dem Architekten Hermann Schaedtler den Auftrag erteilt, an der Hohenzollernstraße eine repräsentative Villa im zeitgenössischen Jugendstil zu errichten, in das der Kommerzienrat (seit 1905) 1906 mit Ehefrau Johanna einzieht. Seligmann gilt als liberal und kaisertreu und so nimmt es nicht Wunder, dass er gemeinsam mit dem Bettfedernfabrikanten August Werner der Stadt Hannover zwei Bronzestatuen der Kaiser Wilhelm I. und Wilhelm II. schenkt, die Robert Leinert, der erste sozialdemokratische Oberbürgermeister Hannovers nach Amtsantritt in die Abstellkammer verbannt und die die Nazis schließlich einschmelzen lassen. 1921 verleiht die Technische Hochschule Hannover Siegmund Seligmann die Würde eines Ehrendoktors, und die Stadt Hannover ernennt ihn zu seinem 70. Geburtstag 1923 zum Ehrenbürger. Seligmann bleibt bis zu seinem Tode am 12. Oktober 1925 Vorstandsmitglied der Conti.

So repräsentativ wie Siegmund Seligmann gelebt hat, fällt auch seine letzte Ruhestätte auf dem Stadtfriedhof Engesohde aus. Schon zu Lebzeiten hat er seinen Hausarchitekten Hermann Schaedtler mit dem Entwurf eines standesgemäßen Grabmales beauftragt, das als Obelisk unübersehbar die Größe des unter ihm Bestatteten dokumentiert. 1931 gelangt die Villa Seligmann in den Besitz der Stadt Hannover. Die Umstände dieses Besitzwechsels sind unklar. In einer Quelle wird die Villa als Schenkung von Johanna Seligmann erwähnt, in einer anderen als Notverkauf des Sohnes Edgar. Seit 2008 ist dort das von Andor Iszák initiierte „Europäische Zentrum für Jüdische Musik“ untergebracht, dessen Träger die „Siegmund Seligmann Stiftung“ ist.


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