Von der Heidornstraße ausgehend führt die Spielhagenstraße in östlicher Richtung bis zur Straße „An der Weide“ und kreuzt dabei die Tiestestraße. Benannt ist sie seit 1909 nach dem Schriftsteller Friedrich Spielhagen.

Friedrich Spielhagen, Grafik von Adolf Neumann, 1867

Friedrich Spielhagen

Zwei Jahre lang, von 1860 bis 1862 lebt Friedrich Spielhagen als Redakteur mit einer Aufenthaltskarte, die jederzeit aufkündbar ist, in Hannover, denn dort existiert eine Verordnung, die „Schauspielern, Seiltänzern, Gauklern, Literaten und sonstigem Gesindel den Aufenthalt in der Stadt an der Leine nur auf Widerruf“ gestattet. Geboren wird der in Hannover nur Geduldete am 24. Januar 1829 in Magdeburg, wo sein Vater als Königlicher Wasserbauinspektor arbeitet.

Als Friedrich Spielhagen sechs Jahre alt ist, zieht die Familie nach Stralsund, weil der Vater dort als Regierungs- und Baurat tätig wird. Von 1838 bis 1847 besucht Spielhagen das „Sundsche Gymnasium“ und studiert danach bis 1851 Rechtswissenschaft in Berlin, Bonn und Greifswald, nimmt aber die Juristerei nur als Nebensache wahr. Seine Leidenschaft gilt der Literatur. Zunächst aber Spielhagen bestreitet seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer in Pommern, versucht sich als Schauspieler und zeitweise als Soldat.

1854 zieht Friedrich Spielhagen nach Leipzig, wo er als Englischlehrer an einer Handelsschule tätig wird. Als sein Vater ein Jahr später stirbt, kann sich Spielhagen endgültig und ausschließlich der Literatur widmen. Seine ersten Werke „Clara Vere“ (1857) und „Auf der Düne“ (1858) finden noch wenig Beachtung. Als er 1860 nach Hannover zieht, um Feuilleton-Redakteur der „Zeitung für Norddeutschland“ zu werden hat er die Skizzen für ein gewichtiges Werk im Gepäck, das er in seiner Zeitung in Fortsetzung veröffentlicht. „Problematische Naturen“ heißt das 1078 Seiten umfassende Epos, dem er ein Jahr später einen weiteren erfolgreichen Band mit dem Titel „Durch Nacht zum Licht“ folgen lässt.

1862 verlässt Friedrich Spielhagen die Stadt an der Leine, die ihm „zwei Jahre gewährt“ hat, die er zu „den glücklichsten seines Lebens“ zählt und zieht nach Berlin, um Redakteur im Verlag der „Deutschen Wochenschrift“ zu werden. Spielhagen schreibt fortan ohn Unterlass vor allem Romane: „In der zwölften Stunde“ (1862), „Röschen vom Hofe“ (1864), „Die von Hohenstein“ (1864), „In Reih und Glied“ (1866), „Die Dorfcoquette“ (1868) oder „Hammer und Amboss“ (1869), die von Kritikern als „militant gesellschaftskritisch“ angesehen werden. Neben Theodor Fontane, Gustav Freytag, Wilhelm Raabe und Theodor Storm ist Friedrich Spielhagen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein „Großliterat“. Er ist liberal und radikal-demokratisch, verehrt Heinrich Heine und ist befreundet mit Fontane, Peter Rosegger und dem ersten deutschen Literatur-Nobelpreisträger Paul Heyse. Auch liberale Politiker wie Rudolf von Bennigsen zählen zu Spielhagens Bekanntenkreis.

Als die deutschen Lande zum Kaiserreich proklamiert werden, setzt Friedrich Spielhagen Hoffnungen in die sozialen Entwicklungspotenziale des neuen Staates, wird aber — wie viele andere — bitter enttäuscht. Seine letzter großer, von diesen Hoffnungen gespeister Roman „Sturmflut“ erscheint 1877. Von 1878 bis 1884 wird Spielhagen Mitherausgeber der in Braunschweig erscheinenden „Westermanns Monatsheften“. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verfällt er in Depressionen und veröffentlicht nur noch wenige Essays. Friedrich Spielhagen stirbt am 25. Februar 1911 in Berlin.

In den „Erinnerungen aus meinem Leben“, die 1890 zum ersten Mal mit dem Titel „Finder und Erfinder“ erscheinen, widmet sich Friedrich Spielhagen auch seinem Aufenthalt in Hannover.

„Man kann nicht wohl aus Sachsen nach Hannover versetzt werden, ohne den Unterschied des Klimas, der Landschaft, des Menschenschlages dort und hier lebhaft zu empfinden und nicht, wie ich, ein Norddeutscher in jeder Faser seines geistigen und leiblichen Wesens sein, ohne den geschehenen Wechsel als Wohltat zu begrüßen. Ich wusste mich hier nicht nur meinem Heimatlande geografisch näher, ich meinet, hier scheine mir die mildklare Sonne, umwehe mich die herbkräftige Luft meiner pommerschen Jahre. Jene alte Leidenschaft, durch Feld und Wald zu schweifen, die in Leipzig fast entschlummert schien, erwachte wieder in neuer Kraft hier, wo ich aus dem Fenster meines Arbeitszimmers — es hatte nur eines — unmittelbar auf Felder sah, und von meiner Wohnung in einem der letzten Häuser einer ganz neuen, zaghaft sich weiter tastenden Vorstadt nur zehn Minuten bis zum Walde war. Welchem Walde! Ich weiß nicht, was im Verlauf der letzten dreissig Jahre — so lange und ein wenig länger ist’s her — aus der „Eilenriede“ geworden ist, ob sie überhaupt noch existiert. Damals aber war sie ein ausgedehnter, märchenhaft schöner Wald. Fast durchweg Laubholz: Buchen, Eichen, Eschen, Erlen in ganzen Schlägen, manchmal bunt durcheinander. Nur wenige selten begangene und befahrene Wege liefen durch den Forst und schmale von Lattich und anderem Kraut übersponnene Pfade, die kaum jemals ein Menschenfuß betrat. Dann kamen Stellen, die ein Quellchen, das keinen Abfluss fand, ganz durchsumpft und unbetretbar gemacht hatte, und durch die wir nach mühsamem Suchen doch eine Furt entdeckten zu einem trockenen, in Baum und Busch versteckten heimlichen Plätzchen, dahin kein Laut drang als das Zirpen eines Vögelchens, das durch die Zweige schlüpfte und wo sich hundert Meilen weit von dem Lärmen der Menschenwelt träumen ließ. Nur eines vermissten wir in der grünen Wildnis: die köstlichen bunten Blumen, an denen die thüringischen Wälder so reich sind, und mit denen auch die um Leipzig sich gerne schmücken, so dass ich von einer Frühlingswanderung nie ohne eine lieblichen Strauß in meine Junggesellenwohnung kehrte. dafür gab es in der rechten Jahreszeit hier Maikraut, wie ich es in solcher Fülle und Üppigkeit nirgends wieder gefunden habe, und das uns manche Bowle würzte, mit deren duftigem Inhalt wir nach stundenlanger Wanderung uns und unsere Freund erfreuten.“


Foto: Friedrich Spielhagen Grafik von Adolf Neumann, 1867

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