Vom Bertha-Von Suttner-Platz führt die Wißmannstraße, parallel zur Jordanstraße in südlicher Richtung zum Altenbekener Damm. Sie kreuzt dabei die Heinrich-Heine-Straße. Benannt ist sie seit 2010 nach dem kommunistischen Arbeitersportler und KZ-Opfer Hermann Wißmann. Von 1928 bis 2010 war die Straße nach dem Kolonialverbrecher Hermann von Wissmann benannt. An der Wißmannstraße liegt der Neubau der IGS Südstadt.

Hermann Wißmann vor dem Haus Obere Gasse 16.
Hermann Wißmann vor dem Haus Obere Gasse 16.
Vor Hermann Wißmanns Wohnhaus in der Oberen Gasse 16 in Ludwigsburg-Hoheneck erinnert ein Stolperstein an das erste Opfer des KZ Heuberg.
Vor Hermann Wißmanns Wohnhaus in der Oberen Gasse 16 in Ludwigsburg-Hoheneck erinnert ein Stolperstein an das erste Opfer des KZ Heuberg.

Hermann Wißmann

Am 6. März 1933 werden in Ludwigsburg dutzende von Kommunisten und Sozialdemokraten von der SA „verhaftet“ und in das Militärarresthaus in der Hindenburgstraße verbracht, unter ihnen Hermann Wißmann. Geboren wird Hermann Wißmann am 24. Januar 1902 in Hoheneck, das heute ein Stadtteil von Ludwigsburg ist. Von Jugend an ist Wißmann sportlich aktiv im Hohenecker Turnverein, dessen Vorsitzend er 1930 übernimmt. Sportlich betätigt sich Hermann Wißmann als Schwerathlet außerdem im Athletikverein „Täle“. Beide Vereine sind im Arbeiter-Sportbund organisiert, der der KPD nahesteht.

Hermann Wißmann, von Beruf Maschinenarbeiter, ist Mitglied der KPD, der Gewerkschaft und der „Roten Hilfe“, die sich um die Betreuung politischer Gefangener kümmert. Am Morgen nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 werden überall in Deutschland Gegner der Nazis verhaftet, so auch in Ludwigsburg. Mit vielen anderen wird Hermann Wißmann in das Militär-Arresthaus in der Hindenburgstraße gebracht. Von dort aus geht es kurze Zeit später in das „Schutzhaftlager Heuberg“ bei Stetten am kalten Markt.

Dort — auf einem ehemaligen Militärgelände — befand sich von 1920 bis zur Machtübertragung an die Nazis ein Kindererholungsheim, an das es angenehme Erinnerungen gab, wie sie im „Heuberglied“ von 1927 zum Ausdruck kamen:

„O Heuberg, du mein Sehnsuchtsland,

das leuchtend mir vor Augen stand,

so nah am Himmel wohnt man dort

ja, niemals möchte ich fort.“

Im Zuge ihrer Machtausdehnung lösen die Nazis das Kindererholungsheim auf und errichten auf dem Gelände das erste Konzentrationslager in Württemberg, das der SA unterstellt ist. Das ist in der Umgebung bekannt, denn schon bald heißt es: „Halt bloß deinen Mund, sonst kommst auf den Heuberg“. Als Hermann Wißmann mit anderen Häftlingen nach Heuberg verschubt wird, ereignet sich ein Zwischenfall: Beim Vorbeifahren der Häftlingskolonne an einem Trupp Straßenarbeiter grüßen diese die Häftlinge mit erhobener Faust und werden so auf der Stelle selber zu Häftlingen.

Die Nazis führen das KZ Heuberg als Vorzeigelager, in dem sie einen „Tag der offenen Tür“ abhalten. Hinter den geschlossenen Toren jedoch regiert die Grausamkeit. Die Häftlinge werden mit sinnlosen Arbeiten, Prügel, Scheinerschießungen und Wasserfoltern gequält. Den wohl prominentesten Häftling auf dem Heuberg, Kurt Schumacher, wollen die SA-Männer zermürben, indem sie den einarmigen Weltkriegsversehrten zwingen, Kieselstein in einen Blechnapf zu füllen, den sie dann vor seinen Augen entleeren, um ihn dann erneut zum Sammeln zu zwingen.

Auch Hermann Wißmann wird auf dem Heuberg gequält. Dennoch versucht er, seinen Mithäftlingen mit dem Angebot sportlicher Ertüchtigung ein kleines bisschen Ablenkung zu verschaffen. Während einer Übungseinheit fällt der 31jährige, durchtrainierte Hermann Wißmann am 8. April 1933 plötzlich um, wie sich ein Mithäftling erinnert. Ein Arzt attestiert Herzversagen. Die Trauerfeier am 11. April wird unter den Augen der Nazis zur stillen Demonstration. Hermann Wißmann hinterlässt seine junge Frau und die dreijährige Tochter Sonja. Bis zur Auflösung des KZ Heuberg im Dezember 1933 werden etwa 3.000 Nazi-Gegner dort inhaftiert, unter ihnen auch der spätere hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und der langjährige baden-württembergische IG-Metall-Bezirksleiter Willi Bleicher. Beide dürften das „Heuberglied“ der KZ-Insassen gekannt haben:

„Auf des Heuberg rauhen Höhen

Eng umspannt mit Stacheldraht,

Liegt das Lager der Marxisten

Vom Faschismus hinverbannt.

Menschenrechte sind verloren

Und Beschwerden gibt es nicht.

Anstatt Fleisch gibt es nur Knochen,

Gutes Essen wäre Gift.

Menschen wollen wir erst werden,

Bisher waren wir es nicht,

Denn in jedes Häftlings Herzen

Wächst der Rache stärkstes Gift.

Doch die Freiheit, die kommt wieder —

Dann, SA-Mann gebe acht!

Rotgardisten werden siegen,

Rufen auf zur letzten Schlacht.

Rote Fahnen werden wehen

Auch auf diesem Lager dann!

Nicht SA hat dann die Waffen,

Sondern nur der Arbeitsmann!“


Foto rechts: Vor Hermann Wißmanns Wohnhaus in der Oberen Gasse 16 in Ludwigsburg-Hoheneck erinnert ein Stolperstein an das erste Opfer des KZ Heuberg.

Foto links: Hermann Wißmann vor dem Haus Obere Gasse 16. Fotomontage mit freundlicher Genehmigung der „Streiflichter“ Ludwigsburg.


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36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult