Ich möchte mich bei den Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften der Tellkampfschule bedanken, die seit Jahren das Gedenken an den Tag der Bücherverbrennung gestalten und denen es immer wieder gelingt, Autorinnen und Autoren wieder ans Licht zu bringen.

Dass sie dabei immer über den deutschen Tellerrand hinaus blicken, beweisen sie in diesem Jahr eindringlich, indem sie auf die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in vielen anderen Ländern hinweisen, die sich nicht
unbedingt an den Gebrauchsmustern westlicher Demokratien orientieren.

Das ist gut so, sollte uns aber nicht daran hindern, auch auf Gefährdungen der Meinungsfreiheit in unserem Land hinzuweisen. Damit meine ich nicht nur Gefahren, die von sogenannten Querdenkern oder Pegida- Aktivist*innen ausgehen. Zurzeit beschäftigt mich ein Satz von Kurt Tucholsky aus dem Jahr 1919, der da lautet: „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.“ Drei Beispiele mögen das illustrieren.

1. Die Aktion von Künstlerinnen und Künstlern mit der Spitzmarke „#allesdichtmachen“. Die ist pointiert nach Tucholskys Vorgabe: „Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt gegen alles, was stockt und träge ist.“ Niemand ist gehalten, diese Ansichten zu teilen, aber der weitreichende Aufschrei gegen diese künstlerische Form der Auseinandersetzung mit Corona-Maßnahmen trägt Züge des von Tucholsky festgestellten Übelnehmens.

2. Nicht nur in unserem Land macht sich eine Form von „identitärem Absolutismus“ breit, der es Menschen abspricht, zu Ereignissen Stellung zu nehmen, von denen sie nicht unmittelbar betroffen sind. Die Absage der Veranstaltung zum Thema „Kolonialismus“ mit Professor Helmut Bley ist da nur ein Beispiel. Auch die Diskussion über die Übertragung des Gedichts „The Hill We Climb“ von Amanda Gorman, die darauf hinausläuft, dass nur schwarze Frauen ein Gedicht einer schwarzen Frau übertragen können dürfen, trägt absolutistische Züge.

3. Die ziemlich aufgeregte Diskussion über den vermeintlichen Rassisten Boris Palmer passte ebenfalls in diesen Kontext. Dass Palmer ein erwiesener Provokateur ist, steht dabei außer Zweifel und niemand muss ihn deswegen mögen. Aber der Hinweis, jemand könne ja Beifall von der falschen Seite erhalten, kann nicht Richtschnur für die Beurteilung von Ironie und Satire sein. Satire — wie gesagt — beißt, lacht, pfeift und trommelt. Ethische Schnittmengen-Kommissionen sind da fehl am Platz.

Von Rosa Luxemburg stammt nicht nur der bei Voltaire entlehnte Satz. „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“, sondern auch die Erweiterung. „Ohne ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf er stirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution,wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt.“ Rosa Luxemburg schließt mit der Warnung: „Das öffentliche Leben schläft allmählich ein. So weit ist es zum Glück nicht, aber es gibt leider Anzeichen, dass Teile der Gesellschaft nicht nur übel nehmen wollen, sondern tätig werden. Mit „Shitstorms“ in den „asozialen Medien“, mit Brief- und Telefonterror und leider auch mit tätlichen Angriffen auf Andersdenkende. Da gilt es gegen zu halten!

Das Gedicht „Dann wieder“ von Erich Fried kann dabei hilfreich sein.

Was keiner geglaubt haben wird

was keiner gewusst haben konnte

was keiner geahnt haben durfte

das wird dann wieder das gewesen sein

was keiner gewollt haben wollte.

Lothar Bücherverbrennung

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