Heute vor 88 Jahren, am 1. April 1933, wurde das „Gewerkschaftshaus“ in der Nikolaistraße (heute Goseriede) von den Nationalsozialisten besetzt, nachdem es bereits 1932 mehrere Anschläge der SA auf das Gebäude gegeben hatte. Bewaffnete SS stürmte das Haus, verhaftete Funktionäre von Gewerkschaften und SPD, zerstörte die Einrichtung, verbrannte die Fahnen und raubte die Kasse.
Jedes Jahr am 1. April erinnern die hannoverschen Gewerkschaften an dieses Ereignis und mahnen für die Zukunft.

Zusammen mit Werner Preissner vom DGB habe ich am Alten Gewerkschaftshaus eine neue Geschichtstafel zur Geschichte und Besetzung der Öffentlichkeit übergeben. Sie ist ein wichtiger – und angesichts der aktuellen Ereignisse und rechtsextremistischen Anschläge – und notwendiger Beitrag gegen das Vergessen und für die Erinnerungskultur in unserer Stadt. „Nie wieder“ war die Botschaft der Holocaust-Überlebenden 1945. Es ist die Botschaft, die wir auch heute noch und immer wieder vertreten müssen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Arbeiterbewegung und hannoversche Sozialdemokratie keinen leichten Stand. Zum einen war man aufgrund der politischen Struktur der Stadtverfassung von der kommunalen Selbstverwaltung ausgeschlossen. Neben der Kritik an den Machtverhältnissen gab es zum anderen großen Unmut wegen der Gestaltung und Finanzierung des Neuen Rathauses. Der sozialdemokratische „Volkswille“ titulierte: „Ausgeburt eines einzig dastehenden kommunalen Größenwahns“.

Des Rathauses nämlich, das wir heute oft als schönstes Gebäude in dieser Stadt bezeichnen und das Besucher*innen von nah und fern anzieht. Doch was wir heute als offenen Ort demokratischer Willensbildung und als schönes Gebäude (mit Geschichte) wahrnehmen, hat damals für viel Uneinigkeit gesorgt. Die Kritik und die Ablehnung hatten auch mit dem Stil des Bauwerks zu tun, spiegelten in erster Linie aber die konfliktreiche Beziehung zwischen der Spitze der Stadt und der Arbeiterbewegung vor 1918 wider.

1907 war der Stadt klar, dass der Bau des Rathauses statt der zuvor veranschlagten sechs Mio. Mark, wohl eher zehn Mio. kosten würde. Es war auch nicht „alles bar bezahlt“ worden, wie wir heute wissen.

Der „Volkswille“ beklagte sich bitter über die Taktik, die Summe zu erhöhen und es eigentlich unumgänglich zu machen, diese zu billigen, wenn man das Rathaus nicht als Ruine stehen lassen wolle. Die SPD betonte, dass statt des Baus eigentlich eine Förderung von kulturellen und sozialen Einrichtungen wichtiger sei, wie zum Beispiel Schulen.

Ausgerechnet die Kuppel des Rathauses, das dominante Merkmal des Gebäudes wurde zum Anlass für den ersten Skandal während der Bauphase (unerlaubte Preisabsprachen).

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts war es in den meisten Städten für die SPD notwendig, eigene Zentren für die gewerkschaftlichen und politischen Gruppen der Arbeiterbewegung zu schaffen, da die Versammlungsbestimmungen sehr restriktiv waren. Auch in Hannover war man sich einig, dass ein eigenes Versammlungs-zentrum entstehen müsse, die Mitgliederzahl der SPD hatte sich von 1905 bis 1910 vervierfacht. Also suchte man nach einem eigenen Ort der kommunalen Repräsentation. Und man suchte einen Gegenentwurf zu dem im Bau befindlichen Neuen Rathaus, in dem für sie kein Platz sein sollte.

Aus der damaligen Gemengelage wurde das Gewerkschaftshaus zu einem „Gegen-Rathaus“ für die Arbeiterbewegung.

Bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück gab es jedoch Schwierigkeiten, weil Stadtdirektor Heinrich Tramm das ausgewählte städtische Grundstück nicht an die Sozialdemokrat*innen verkaufen wollte. Über gute Kontakte zur Lindener und zur Herrenhäuser Brauerei kam man mittels Strohmännern dennoch in den Besitz des städtischen Grundstückes in der Nikolaistraße 7 am Steintor.

Das Hauptgebäude konnte im Oktober 1910 fertiggestellt werden. Das “Gewerkschaftshaus“ wurde solidarisch finanziert durch eine Umlage bei allen Gewerkschaftsmitgliedern in Hannover und Linden, für die freien Gewerkschaften und die SPD, für Verlag, Redaktion und Druckerei der Tageszeitung „Volkswille“, für Arbeiterwohlfahrt und Arbeitersamariter, für die Freie Volksbühne, die Zentralbibliothek und die Volksbuchhandlung, für das Kartell für Sport- und Körperpflege und das Fahrradhaus „Frischauf“, für Restaurationen und eine Herberge. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg kam ein weiterer Gebäudekomplex hinzu: Aus dem Saal- und Gaststättenbau des „Kriegerheims“ an der Nikolaistr. 10 wurde das „Volksheim“ der Arbeiterbewegung mit einem Saal für bis zu 2.000 Personen.

Die Errichtung und der Betrieb des Alten Gewerkschaftshauses und des Volksheims war eine gemeinschaftliche und solidarische Anstrengung.

„Nicht Ruhe, nicht Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit.“ [Otto Brenner, Vorsitzender der IG Metall 1956 – 1972,

1946 - 1953 SPD-Mitglied im Rat der Landeshauptstadt Hannover, 1951 – 1954 SPD-Mitglied im Nds. Landtag]

Gedenktafel | Zentrum der Arbeiterbewegung: Gewerkschaftshaus und Volksheim
36. Osterfeuer der SPD Südstadt-Bult